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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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man sich hinsetzte und wann man aufstand, wie man dafür sorgte, dass Gäste sich wohlfühlten und Unterhaltungen nicht einschliefen.
    In diesen modernen Zeiten war das alles so lächerlich. Ihre Schülerinnen waren geistreiche Mädchen, die mehr als nur eine Ehe und die gesellige Runde anstreben mussten. Wie leicht hatte sie sich auf dieses Karussell ziehen lassen, und wie schwer fiel es ihr abzuspringen. Natürlich hatte sie ein paar Äußerlichkeiten wie Bequemlichkeit und Geld vermisst, doch dieser Luxus hatte seinen Preis. Frei zu sein, war das Wichtigste.
    Nach Mays Brief, in dem sie ihr die Begegnung im Kathedralenhof ausführlich schilderte, hatte sie sich sofort die Haare kurz schneiden lassen und mit starkem Tee dunkel gefärbt. Helles, rötliches Haar war zu auffallend. Sie war froh, alle Locken los zu sein. Die Frauen, mit denen sie zusammenarbeitete, hatten sich alle die Haare kürzen lassen. Zunächst hatte sie das Gefühl gehabt, ihre Kindheit sei von ihr abgeschoren worden, aber elegante Glockenhüte und Mützen bedeckten ihre verräterische Haarfarbe. Die Röcke wurden immer kürzer, doch sie hatte nicht das Geld, alle Marotten mitzumachen. Ein schwarzes Kostüm tat seinen Dienst, und es war so schäbig, dass sie sich unauffällig unter die geschäftige Menge und die Einkaufsbummler mischen konnte.
    Plötzlich war ihr, als müsse sie sich umdrehen, da sie jemanden an ihrer Seite spürte, nahe genug, um sie anzuschauen, bevor er sich wieder mit einem angedeuteten Lächeln des Wiedererkennens seinem Geldbeutel zuwandte. Der Mann in mittleren Jahren trug Homburg und Regenmantel und roch nach dem Rauch billiger Zigarren. Celeste wurde von Angst gepackt. Hatte sie ihn schon einmal gesehen, irgendwo in der Straßenbahn? Verfolgte er sie? Ihr Herz raste vor Panik. Wenn ja, dann konnte das nur bedeuten … Sie ließ ihre Tüte mit Möhren fallen und eilte zum Ausgang, ohne einen Blick zurück zu werfen. Sie kannte die Seitenstraßen um den Eastern Market herum, machte einen Umweg zum Marinehospital, wo sie die Pennsylvania Avenue überqueren musste. Sie hoffte, ihm entkommen zu sein. Die Bürgersteige waren voll, und sie versuchte, nicht zu rennen, doch als sie an eine Reihe von Läden in der Nähe der South Carolina Avenue kam, ertappte sie sich dabei, dass sie in einen Laden stürmte, atemlos und vor Angst schwitzend.
    »Kann ich Ihnen helfen?« Eine Frau, auch in Schwarz gekleidet, trat vor.
    »Ein Mann verfolgt mich«, platzte es aus Celeste heraus. »Ein Mann mit einem schwarzen Homburg. Er geht mir schon die ganze Zeit nach.« Sie brachte die Worte kaum hervor.
    »Kommen Sie mit«, sagte die Frau freundlich. »Hier gibt es einen Hinterausgang aus dem Laden. Wenn er hier hereinkommt, dann wird er es bereuen. Wohin wollen Sie?«
    »D Street … Süden. Danke.«
    »Sie sind keine Amerikanerin?«
    »Engländerin.« Sie lächelte. »Wie komme ich am schnellsten von hier zur D Street?«
    »Gehen Sie in Richtung 12 th oder 13 th und weiter durch die Kentucky Avenue. Zur Deckung gibt es jede Menge Hintergassen. Überlassen Sie ihn nur mir, Schätzchen. Raus auf den Hof und in den Durchgang. Viel Glück.«
    »Ich kann Ihnen gar nicht genug danken«, stammelte Celeste.
    »Wir Witwen müssen zusammenhalten. Die glauben, ohne Mann sind wir leichte Beute.«
    Celeste widersprach ihr nicht. Sie konnte nur daran denken, zurück zu Roddy zu kommen. Wenn Grover diesen Mann nun geschickt hatte, den Jungen zu schnappen? Wenn er ihn schon hatte? May hatte ihr von dem Foto und der Studioanschrift auf der Rückseite erzählt. Ein Sherlock Holmes war nicht nötig, um nach einer Kopie zu forschen. Er kannte ihren neuen Namen nicht, aber vielleicht spürte der Helfer das Datum ihrer Bestellung auf, oder etwas in der Art. Sie lief, bis ihr schier die Lunge barst, und wagte nicht nachzusehen, ob er noch in Sichtweite war. Roddy zu sehen, war so eine Erleichterung. Er wartete an der Treppe auf ihre Rückkehr und bemerkte ihre Panik nicht.
    »Komm rein!«, rief sie, und ihre Hände zitterten, als sie versuchte, den Schlüssel herumzudrehen.
    »Au … Mom!«
    »Komm jetzt rein!«, schrie sie, zog ihn herein, damit er von der Straße aus nicht mehr zu sehen war, und verriegelte die Tür hinter ihnen. »Hat jemand nach mir gefragt?«
    Roddy schaute kopfschüttelnd auf. »Muss ich mich umziehen?«
    »Heute nicht. Ich möchte, dass du all deine Lieblingssachen in die Reisetasche packst, in die unter der Treppe, und ein paar Bücher –

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