Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
Vom Netzwerk:
aber nur besondere. Ich packe unseren Koffer.«
    »Fahren wir in die Ferien?«
    »Irgendwie schon … einen Ausflug nach Norden.«
    »Aber du hast doch die Teegesellschaft. Wir haben Donnerstag«, mahnte er.
    »Heute nicht. Ich werde eine Notiz an die Tür hängen. Beeil dich, wir dürfen keine Zeit verlieren. Das wird ein großes Abenteuer.«
    »Jipiie«, jubelte Roddy. Wenigstens einer war glücklich.
    Ihre Gedanken überschlugen sich. Wie sollten sie durch Washington zur Union Station kommen? Mit der Straßenbahn? Oder sollten sie riskieren, zu Fuß auf offener Straße zu gehen? Oder hierbleiben, bis es dunkel war? Wenn Grovers Schnüffler das Haus beobachtete, konnte das gefährlich sein. Und wenn Grover nun herumlungerte, bereit, sich selbst auf seinen Sohn zu stürzen? Vielleicht hatte sie sich das Ganze bloß eingebildet, aber der triumphierende Ausdruck im Gesicht des Mannes hatte sich ihr tief ins Gedächtnis geprägt.
    Beruhige dich! Der Augenblick, vor dem du dich gefürchtet hast, ist da, aber du wusstest, dass er eintreten würde. Alles ist für deine Flucht vorbereitet
.
    Dann hatte sie eine verrückte Idee, den Mann abzuschütteln. Das war gefährlich, aber einen Versuch wert. Sie mussten fort; sie konnte kein weiteres Missgeschick riskieren. Niemand würde ihr den Sohn nehmen, jetzt nicht, niemals.
    Beruhige dich, überdenke alles. Wenn er da draußen mit Grover ist, wird er annehmen, dass du jetzt hinausstürmst. Warte, es gibt eine andere Möglichkeit, die nicht so offensichtlich ist und vielleicht funktioniert, aber du musst schnell handeln
.
    Später versuchte Celeste, das Zittern ihrer Hände zu verbergen, als sie mit den Teetassen klapperte und die Kuchen herumreichte.
    »So, Mädels, heute werden wir etwas spielen, ein Spiel, bei dem wir uns fein machen und die Kleidung tauschen, um zu wissen, wie es ist, eine andere zu sein. Eine Dame soll Menschen nicht nach dem Äußeren beurteilen, ob schlichte Kleidung oder die Uniform von Hausangestellten, sondern nach der Freundlichkeit ihres Handelns. Ich möchte, dass ihr seht, wie ich mich fühle, wenn ich eine eurer Schuluniformen anziehe und mich daran erinnere, wie es war, als ich vierzehn war. Wir unternehmen einen gemeinsamen Spaziergang die Straße entlang und tun so, als ob.«
    »Wie bei einer Scharade?«, fragte Mabel, eins der Mädchen aus der Kirche.
    »Nicht ganz so«, erwiderte Celeste, die merkte, wie verwirrt sie waren. »Wir wollen uns ein bisschen Spaß machen und draußen herumlaufen. Mal sehen, wie es ist, in der Kleidung einer anderen einkaufen zu gehen. Ihr alle wisst jetzt, wie man gesittet Tee trinkt. Ich glaube, jetzt wird es Zeit, dass wir lernen, zur Abwechslung mal in vertauschten Schuhen zu laufen.«
    Sie spürte, dass die Mädchen fasziniert waren und eine Ablenkung vom üblichen Höflichkeitsritual gern annahmen. Es war riskant, aber einen Versuch wert. Roddy zu überreden, ein Kleid anzuziehen, war eine andere Sache.
    »Oh, Mom! Das blöde Spiel mache ich nicht mit.«
    »Bitte, tu, was ich dir sage«, flüsterte sie. » ES IST WICHTIG ! Es dauert nicht lange, versprochen.« Seine Verkleidung war der Schlüssel zu ihrer Flucht. »Und den Hut musst du auch aufsetzen.«
    Das kleinste Mädchen tauschte das Kleid und die Petticoats mit ihm und zwängte sich in seinen Matrosenanzug. Sie setzten ihr seinen Strohhut auf und stopften ihre Zöpfe darunter. Alle lachten. Roddy schmollte. Celeste zog Mabels Schuluniform über, und wieder brachen alle in Gelächter aus. Sie war so schlank, dass sie zweimal reingepasst hätte. Sie bedeckte ihr Haar mit einer Tellermütze und ging zur Tür. Sie gab sich den Anschein, als wäre alles nur ein albernes Spiel und nicht der todernste Versuch, der Aufdeckung zu entgehen.
    Mit Bedauern warf sie einen Blick zurück auf das, was sie hinter sich ließ. Bis jetzt war es eine sichere Zuflucht gewesen, vier Zimmer, die sie ihr Eigen nennen konnten. Doch dies war nicht der richtige Zeitpunkt für Gefühlsduselei, kein Platz für alles andere außer dem Lebensnotwendigen und den Dokumenten. Sie war auf diese Reise vorbereitet, und denselben Fehler würde sie nicht noch einmal machen.
    »Um den Block, nur so zum Spaß, und passt auf, wie es sich anfühlt«, befahl sie.
    Unter Kichern begaben sie sich an die Haustür und gingen die Treppe hinunter auf den Bürgersteig, alle in fremden Kleidern und Hüten. Sie winkte dem leeren Fenster zu, als sie das Haus verließen, ihr Blick schoss zur Straßenecke.

Weitere Kostenlose Bücher