Schiff der tausend Träume
Sie mir die Tür.«
»Ich komme lieber mit. Er ist ein bisschen verwirrt und hört neuerdings schlecht.«
Parkes schlug ungeduldig gegen die Tür, die zu Mays Entsetzen aufging. Lächelnd schaute der Kanonikus nach draußen. »Oh, May, meine Liebe … zwei Besucher auf einmal, das ist schön.« Er schaute zu dem Mann auf und stutzte. »Kenne ich Sie?«
»So sicher wie das Amen in der Kirche, ich bin dein Schwiegersohn … Wo ist sie?«
»Verzeihung, wo ist wer?«
»Wo sind meine Frau und mein Sohn?«, schrie er.
»Tut mir leid, junger Mann … treten Sie ein, bitte. May, setzen Sie bitte Wasser auf, hier geht etwas durcheinander. Grover, das letzte Mal habe ich dich auf deiner Hochzeit gesehen. Wann war das noch …?«
»Hör auf mit dem Gesäusel. Ich will meine Frau und meinen Sohn sehen. Wo sind sie?«
»Sind sie denn nicht bei dir?« Der alte Mann kratzte sich am Kopf. »Das verstehe ich nicht. May, haben Sie eine Ahnung, worum es hier geht?«
Sie stand da, darum bemüht, nicht rot zu werden, zuckte mit den Schultern und floh in die Küche. Dieser Mann hatte etwas vor; sie durfte kein Wort verraten.
»Das verstehe ich nicht. Ich schreibe ihr. Sie ist in Akron. Sie geben die Briefe doch auf, nicht wahr?« Er starrte May an, die jetzt mit dem Tablett die Breite des Türrahmens ausfüllte.
»Ich habe keine Briefe erhalten … nicht, seit …« Grover verstummte. »Was geht hier vor? Wer wird dafür bezahlt, dass er seinen Mund hält?« Er starrte May an. »Ist sie die Person, die ich im Sinn habe?«
»Mrs Smith ist meine Haushälterin, eine treue Freundin unserer Familie. Bitte, behandle sie höflich, junger Mann. Und jetzt setz dich und erzähle mir, worum es hier geht. Bist du geschäftlich hier?«
Grover wandte sich an May und überging die Frage. »Hat meine Frau Sie dafür bezahlt, mich zu täuschen?«
»Das reicht«, schaltete der Kanonikus sich ein, dessen Gehör ausnahmsweise einmal scharf war. »Bitte erkläre dich. Das hier ist mein Haus. Offensichtlich liegt ein furchtbares Missverständnis vor.«
»Dann will ich dich aufklären, Reverend, lieber Schwiegervater. Deine Tochter, meine Frau, hat meinen einzigen Sohn gestohlen und ihn an diesen verfluchten Ort gebracht, und damit kommt sie mir nicht davon.«
»Womit?«
»Mit einer Entführung, wenn du mich fragst.«
»Da muss ein Missverständnis vorliegen. Celeste ist nicht hier. Im Übrigen kann eine Mutter ihren eigenen Sohn wohl kaum entführen. Selbst wenn das der Fall wäre, ist ein Kind kein Besitz. Roderick gehört niemandem außer sich selbst.« Er schaute zu seinem Foto auf dem Kaminsims, von den Neuigkeiten erschüttert.
»Oh, spar dir deine Predigten«, fuhr Grover ihn an. »Wo ist sie?«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Ich hatte den Eindruck, dass sie bei dir ist. Ihre Briefe haben mich nichts anderes vermuten lassen.«
»Ich glaube dir nicht! Du weißt etwas, oder sie … Schau sie doch nur an, zittert wie Espenlaub … Und? Ich bin ganz Ohr.« Grover baute sich vor May auf.
May hob zu einer Erklärung an, doch die Worte wollten ihr nicht über die Lippen kommen. Der Kanonikus bemühte sich nach Kräften, sie zu verteidigen.
»Wenn du dich so verhältst, dann sei so gut, und verlasse dieses Haus, bis du dich wieder beruhigt hast … Ich kann nicht zulassen, dass du meine Haushälterin derart drangsalierst und aus der Fassung bringst.«
»Ich bin noch nicht fertig mit euch.« Grover stand hoch aufgerichtet in seinem eleganten Anzug, ganz der erfolgreiche Geschäftsmann, und drohte beiden mit dem Finger. »Ihr sagt meiner Frau, wo immer sie sich auch aufhält, wenn sie meint, sie kann vor mir weglaufen, wird sie ihr blaues Wunder erleben. Ich werde sie finden. Sie hat etwas, das mir gehört. Und was diese Frau hier angeht, ich weiß nicht, wer Sie sind. Sie und ihresgleichen haben ihr das in den Kopf gesetzt, Sie und diese männerhassenden Fahnenschwenkerinnen. Wahlrecht für Frauen! Sie haben ihr den Kopf verdreht!« Er funkelte May wütend an und wollte sie kraft seines Willens zwingen, klein beizugeben. »Raus damit! Wissen Sie, wo sie ist?«
Er war genauso wie der alte Cartwright, der tyrannische Aufseher in der Baumwollspinnerei in Bolton, der versucht hatte, seine Mädchen mit Hohn und Entlassungsdrohungen einzuschüchtern. Der Gunstbeweise verlangte, wenn niemand hinschaute. Sie hatten sich zusammengetan und Beschwerde eingereicht, und er war gefeuert worden. May kannte diesen Typ Mann und wollte nichts mit
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