Schiffe versenken
sein Knie auf das Deck schieben konnte. Vor ihm war alles still, und das nächste Deck war drei Meter weiter oben.
Ohne zu zögern, sprang er über die Reling und hechtete sofort in den Schatten hinter einem der Schotte. Keine Reaktion war zu hören oder zu sehen – nur im Vorschiff legte das Maschinengewehr wieder los. Die Crew hatte sich offensichtlich zu heftiger Gegenwehr entschlossen. Hamnet deckte mit einer Hand das abgedunkelte Glas im oberen Teil des Schotts ab, schaute durch und sah einen Raum mit Tischen und Stühlen, vermutlich eine der Messen. Wichtig war nur, dass sich niemand dort aufhielt, und er trat zwei Meter auf dem Deck zurück, um sich wieder auf die Reling zu schwingen. Diesmal konnte er sich nur mithilfe der linken Hand auf das nächste Deck hangeln, und er musste sich gewaltig strecken, ehe er über die Kante linsen konnte.
Dort war jemand. Hamnet duckte sich sofort und versuchte dann, im Kopf genau zu rekapitulieren, was er auf die Schnelle gesehen hatte. Ein Mann, mit dem Rücken zu ihm, stand ungefähr zehn Meter entfernt am Eingang zum Block mit den Unterkünften vor einer offenen Niedergangstreppe und hielt eine Waffe in der rechten Hand. Daneben hatte er eine Leiter gesehen, die dort nach oben führte, wo man am Schornstein vorbei zur Brücke kam. Hamnet wippte auf der Reling, blieb noch halb zusammengekauert und hielt sich mit der linken Hand fest; die rechte wischte er schnell noch mal an dem stinkenden, verschwitzten T-Shirt ab, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und zog dann seine SIG aus dem Gürtel. Eine Minute noch. Er starrte auf die Tür, fühlte sich völlig ungeschützt und wagte deshalb nicht, den Blick von der Tür zu wenden, um auch nur auf die Uhr zu schauen, sodass er die Sekunden zählen musste. Als er bei fünfzig angekommen war, hörte er oben ein Geräusch und schob den Kopf gerade so weit hoch, dass er hinaufschauen konnte.
Als Erstes sah er die Gewehrmündung. Es war einer der Augenblicke im Leben, in denen man keine Zeit zum Nachdenken hat. Man muss handeln. Man muss reagieren. In dieser einen Sekunde wird es sich entscheiden, ob man überlebt oder stirbt. Also streckte er die Beine und sprang, während die linke Hand von unten zupackte. Er bekam den rauen Uniformstoff der Jacke zu fassen und schnappte zu, sah in das Gesicht des fassungslosen Mannes und riss ihn zu sich heran.
Bis zu diesem Augenblick hatte Soey lässig an der Reling gelehnt und auf die silbrig glitzernde See hinausgeblickt, da er den Unterkunftsblock durchsucht und für geräumt gehalten hatte. Jetzt starrten sich die beiden Männer wie in Zeitlupe an, während Hamnet seinen Feind mit seinem ganzen Gewicht über die Reling zu ziehen versuchte. Doch Soey fasste sich wieder, und im nächsten Moment gelang es ihm, sich mit der linken Hand festzuklammern. Mit einem Ruck geriet der Angriff ins Stoppen, ehe Soey bis zum Bauch über die Reling kam und Hamnet sich ihm auf Leben und Tod an den Hals hängte. Die ganze Zeit über behielt er die Waffe im Auge, aber er musste über die Reling klettern, und der kurz abgesägte Lauf der Schrotflinte behinderte ihn in seinem Kampf Mann gegen Mann. Hamnet landete einen linken Haken, wie er ihn sich selbst nicht zugetraut hätte, und erschwerte es Soey damit erheblich, seine Waffe zum Einsatz zu bringen. Dann bohrte er ihm mit der rechten Hand die SIG mit ihren neun Millimetern knapp über dem Adamsapfel in den Hals. Das Adrenalin in den Adern ließ ihn jede Vorsichtsmaßnahme vergessen, aber es spielte ohnehin keine Rolle mehr. Sein Finger bewältigte die zwölf Pond Abzugsgewicht, die er für den Double-ActionAbzug brauchte, um zu feuern. Dann lud die halbautomatische Waffe nach, und der Single-Action-Abzug ging mit viereinhalb Pond im Vergleich zum ersten Mal so viel leichter, dass der zweite Schuss wie von selbst losging.
Aber er war völlig überflüssig, denn die erste Kugel hatte Soey mitten in den Kopf getroffen. Hamnets Augenlider bebten und flatterten, als ihm nach jedem Knall Blut und Gehirnmasse ins Gesicht spritzte. Soey war sofort tot und öffnete die linke Hand, sodass beide Männer nach unten stürzten, was aber nur noch für Hamnet von Bedeutung war. Verzweifelt wand und drehte er sich, um dem toten Körper auszuweichen und auf dem Deck zu landen. Mit dem linken Absatz an der Reling hängend, schaffte er es, den richtigen Drall zu bekommen und prallte dann hart auf sein rechtes Knie. Im nächsten Augenblick hörte er, wie der Tote mit
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