Schiffe versenken
geduckt darauf zu, kroch dann nach achtern bis hinter die Davits des ersten Rettungsboots, von wo aus er feststellen konnte, dass das Seitendeck leer war. Um besser sehen zu können, streckte er sich und sah das in rotes Licht getauchte Deck und das offene Schott zur Brücke. Das Rettungsboot hing etwas höher als einen Meter über ihm, sodass er sich hinaufschwingen und unter der Plane verschwinden konnte. Während es unter seinem Gewicht leicht absackte, kroch er vorwärts bis zum Bug, der ungefähr einen Drittelmeter von der obersten Reling des Seitendecks entfernt war; von dort stieg er auf die Reling, zog sich am Schott entlang und ließ sich aufs Deck gleiten, wobei er ständig darauf achtete, im Schatten zu bleiben – denn das rote Licht der Nachtbeleuchtung schien direkt auf das Deck zu seinen Füßen.
Nun war er am Ziel. Endlich. Seine Schusshand begann zu zittern, sein Herz schlug wie wild, und seine Kehle zog sich so eng zusammen, dass er zu ersticken glaubte. Er zögerte einen Moment. Ben und Jasmine waren in Sicherheit. Er musste das hier also nicht durchziehen. Er schloss die Augen und sah Annas Gesicht vor sich. Nichts konnte sie ins Leben zurückholen. Auch nicht das, was er jetzt vorhatte.
In drei Metern Entfernung klopfte Tosh innen auf der Brücke, seine MP5 wie immer quer vor die Brust geschnallt, seine Hosentaschen ab und zog einen Lederbeutel hervor. Dann häufte er Tabak in einer Linie auf und drehte sich eine Zigarette, während sich Janac seine Meldung anhörte und den Blick nicht von der einzigen auf der Brücke noch anwesenden Person nahm – dem Kapitän, der gefesselt und geknebelt vor der Rückwand auf seinen Knien lag. Janac war ganz ruhig, gefährlich ruhig.
»Tot?«, fragte er dann. »Ich dachte, wir hätten sie alle im Sack.«
»Nein«, nuschelte Tosh mit der Zigarette im Mund. Sein Feuerzeug funktionierte nicht, obwohl er immer wieder am Rädchen drehte und sich ärgerte, dass er es nicht durch ein neues ersetzt hatte.
»Und jetzt?«
Tosh registrierte Janacs Unterton, schaute auf und nahm die Zigarette aus dem Mund, ehe er antwortete: »Fast alle – die gesamte Crew, zwei Verwundete, kein Toter. Aber es gibt noch jemanden an Bord, wie du gesagt hast; er hat sich im hinteren Rettungsboot versteckt. Wir haben dort seine Pisse und Scheiße gefunden, ein paar Lebensmittel, ein GPS, einen Computer, ein Satellitentelefon. Das ganze Programm. Ich und Edi haben alles genau abgesucht, aber wir haben den Kerl nicht gefunden. Unsere Männer müssen noch mal los, sobald wir die Crew festgesetzt haben.«
Jetzt grinste Janac, und die Bartstoppeln ließen die Gesichtshaut noch dunkler aussehen, als er sich kurz entspannte. »Er ist also an Bord. Da war ich ganz sicher.
Wie hätte er sonst die Position angeben können! Schließlich jagt ihn jeder Polizist in Singapur. Gut, dass wir seinen Sohn dabeihaben.«
»Aber erst müssen wir Hamnet auftreiben. Und er ist bewaffnet und gefährlich – wie man sieht.« Tosh nahm sich wieder seine Zigarette vor, aber das Feuerzeug funktionierte immer noch nicht.
Janac beobachtete die fruchtlosen Bemühungen seines Stellvertreters. »Wenn nötig, werden wir ihn wie beim letzten Mal ausräuchern«, brummte er. »Aber ich glaube, dass er schon darauf wartet, mit Spiel und Spaß anzufangen, und von selbst auftauchen wird. Wahrscheinlich will er sich austauschen, vielleicht für die Crew, mit Sicherheit für das Kind. So wie er es bei seiner Frau versucht hat. Wenn das nur so einfach wäre.« Mit einem teuflischen Lachen tippte Janac mit seinem schweren Revolver dreimal gegen den Kartentisch, an dem er lehnte.
Dieses Geräusch hörte Hamnet als Erstes, als er sich näher an das Schott schob. Jetzt hatte er Janac gefunden. Tap, tap, tap. Das gleiche Geräusch wie am Anfang. Vor Wochen. Und jetzt kam das Ende. Er musste nur noch einen einzigen Schritt um die Ecke machen.
Kapitel 29
Tap, tap, tap.
Die Wut kochte in Hamnet hoch, aber er fühlte sich nicht mehr so hilflos wie damals auf der Shawould. Diesmal hatte er das Heft in der Hand. Er hob die Waffe an die Schulter, stützte sie mit der linken Hand ab und krümmte den rechten Zeigefinger sanft um den Abzug. Er versuchte, den Lärm einzuordnen, aber er drang durch die Tür ohne den geringsten Hinweis, ob er vor oder nach dem Öffnen auf die Quelle treffen würde. Hamnet nahm einen tiefen, langsamen Atemzug und blinzelte heftig, um klar zu sehen. Stellte sich Janac vor. Der Mann war sein
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