Schiffe versenken
wohnen, angegriffen worden, deren Anführer Amerikaner ist. Und da der Überfall nicht in internationalen Gewässern stattfand, handelt es sich auch nicht um Piraterie, um genau zu sein, sondern um einen bewaffneten Überfall.« Hamnet schüttelte leicht den Kopf, griff wieder nach seinem Cocktail und nahm einen Schluck.
»Da sind wohl eine Menge verschiedener Interessen im Spiel«, brummte Anthony.
»So kann man das sagen. Und aus offensichtlichen Gründen gibt es keinerlei Koordination unter den Beteiligten. Ich habe jede Frage mittlerweile vermutlich hundertmal beantwortet.« Er brach ab und starrte blind in den Sonnenuntergang.
Anthony drängte Hamnet nicht, da er schon oft erlebt hatte, wie dessen Gedanken immer wieder vom Thema abschweiften. Hamnet schien weder vergessen noch vergeben zu können, und Anthony machte sich Vorwürfe, dass er das Thema überhaupt angeschnitten hatte. Er wollte gerade das Gespräch in eine andere Richtung lenken, als Hamnet selbst fortfuhr: »Obwohl der Prozess nun schon vier Wochen vor Gericht läuft, sind wir keinen Schritt weitergekommen. Die Behörden von Singapur haben sich bereit erklärt, meinen illegalen Grenzübertritt mit Ben und falschem Pass zu ignorieren, wenn ich meinen Sohn hier anmelde und seine britische Staatsangehörigkeit beantrage – wir sind wohl Schachfiguren in einem größeren Spiel. Aber wie auch immer, das setzt einen enormen Papierkrieg voraus und immer neue Besuche im britischen Konsulat, bis wir es irgendwann geschafft haben und unsere Aufenthaltsgenehmigung bekommen.«
»Das hört sich gut an. Wollen Sie in Singapur bleiben?«
»Ja, ganz sicher.«
Wieder schwiegen beide, und der Garten färbte sich unter den Schatten der allerletzten Sonnenstrahlen und der Lichter im Haus rot. Jeder dachte an die nächste Frage und wollte sich davor drücken.
Schließlich fand Anthony einen Ausweg. »Ist irgendjemand denn schon zu irgendeiner Entscheidung gekommen?«
Hamnet nickte erst, zögerte dann und schien nur widerwillig weiterzureden. »Der Staat, unter dessen Flagge die Shawould fährt, ist Liberia. Natürlich wollte die Reederei sich so schnell wie möglich aus der Affäre ziehen. Und soweit es sie betrifft, hat das Schiff alle internationalen Bestimmungen erfüllt und auch gegen keinerlei Konventionen verstoßen, die für Liberia bindend sind – jedenfalls nach den Buchstaben des Gesetzes.«
»Das ist doch ein Pluspunkt, oder?«, fragte Anthony.
»Ja, für mich schon, aber es wäre trotzdem wichtig, dass die Verantwortlichen wenigstens einen einzigen Gedanken an die Sicherheit auf See verschwenden würden.«
»Und wie sieht das Indonesien?«
Hamnet lachte kurz und bitter auf. »Die sagen ganz klar, dass in ihren Hoheitsgewässern ein bewaffneter Raubüberfall und Morde stattgefunden haben. Und ebenso klar, dass sie kein großes Aufhebens darum machen werden.«
»Ich bin sicher, dass sie sich auf wichtigere Probleme in ihrem Land hinausreden wollen: den Zusammenbruch ihrer Währung, die daraus resultierenden Sparmaßnahmen des Internationalen Währungsfonds – die Unruhen unter der Bevölkerung.«
»Ganz zu schweigen von den Aufständen in den Straßen«, stimmte ihm Hamnet zu. »Ich weiß. Was zählen da die Morde an ein paar Ausländern auf einem Schiff, das unter ausländischer Flagge auf ihren Gewässern unterwegs ist, besonders wenn die meisten dieser Ausländer auch noch Philippinos waren? Und die philippinische Regierung hat genauso viele Probleme wie die indonesische mit ihrer Wirtschaft. Wie sollten sie sich über mangelnde Aktivität in diesem Fall beklagen können? Da hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus.«
»Und …«, Anthony zögerte einen Augenblick, »die amerikanische Regierung? Sie sagten doch, es war ein Amerikaner an Bord. Sie wird doch sicherlich etwas unternehmen.«
»Ja, Richardson, er war unser Erster, und zweifellos sind die Amerikaner nicht glücklich über den Fall. Aber es ist ja noch ein zweiter Amerikaner in die Sache verwickelt – einer, den sie seit Jahren erfolglos suchen und jagen –, und deshalb hätten sie schlechte Karten, wenn sie die Indonesier unter Druck setzen wollten. Außerdem scheint Richardson keine Angehörigen in den Staaten zu haben; also wird auch niemand bei irgendeinem Senator vorstellig werden, und man kann die Sache unter den Teppich kehren, den ein fein gewebtes indonesisches Muster zieren wird.«
Anthony setzte sich auf, strich sich mit der rechten Hand übers Haar und griff
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