Schiffe versenken
mehrere Behörden Berichte und Einzelheiten von dir erwarten. Sag einfach, wann du so weit bist, und dann fangen wir damit an.«
»Ich glaube, am besten ist es morgen früh«, antwortete Hamnet und griff nach Kugelschreiber und Papier auf dem Schreibtisch. »Hier sind Adresse und Telefonnummer von den Bullens, dort kannst du mich immer erreichen.« Er reichte ihm den Zettel. »Und da ich jetzt einen Sohn erziehen muss, kann ich nicht mehr zurück auf See, auch wenn ich mein Kapitänspatent behalten sollte. Ich brauche einen Job an Land, vielleicht im Betriebsbüro. Kannst du da etwas für mich tun?«
»Bestimmt. Natürlich, gar keine Frage.«
»Prima.«
Dann schwiegen beide, Dubre starrte den Zettel an und scharrte mit den Füßen, und Hamnet beobachtete ihn dabei. Würde Dubres Wissbegierde über sein Unbehagen siegen?
Es dauerte nicht lange. »Also, Phillip, was ist denn nun im Einzelnen passiert?«
»Das ist ganz einfach. Janac ließ mich gehen. Wir hatten ein Abkommen, das ich gebrochen hatte, wofür Anna mit dem Leben bezahlt hat. Warum hätte er auch noch mich oder meinen Sohn umbringen sollen?«
»Mein Gott!«, Dubre zuckte wie unter einem schweren Angriff zusammen und sprang mit niedergeschlagenen Augen auf. »Ich verlasse dich jetzt, Phillip, du hast noch eine Menge zu erledigen. Ich weiß, dass es dir nichts hilft, wenn ich noch einmal versichere, wie sehr ich alles bedauere. Aber du musst mir glauben, dass ich wirklich verzweifelt bin. Es ist natürlich für dich kein Trost, aber du solltest auch daran denken, dass das, was geschehen ist, vielen Seeleuten das Leben gerettet hat – die auch Söhne, Brüder und Ehemänner sind. Ich werde dich nach Kräften unterstützen, Phillip.« Er unterbrach sich und sah Hamnet an. »Wird es eine Beisetzung geben?«
Hamnet schüttelte den Kopf. »Einen Gedenkgottesdienst. Es gibt keine … Leiche.«
»Nein, natürlich nicht. Ich … werde jetzt gehen.«
Dubre ging allein zur Tür wie früher auch immer, und Hamnet sah ihm nach, während er mit dem Kugelschreiber zwischen Daumen und Fingern herumspielte. Andere Ehemänner, andere Söhne. Der Kugelschreiber klickte.
Kapitel 19
Hamnet schaute zu, wie ein Tropfen langsam an der beschlagenen Außenseite des Glases hinunterrann, einen Augenblick an einem Materialfehler verhielt und dann weiter den Gesetzen der Schwerkraft folgte. Er hob das Glas an den Mund und leckte die Wasserspur auf, kurz bevor der Tropfen den Tisch beschädigte. Dann nippte er bedächtig an seinem Pimm’s Cocktail, ließ die Eiswürfel klingeln und ging vom Wohnzimmer auf die Terrasse. Die Sonne lag in den letzten Zügen, und die Zikaden kündigten das Ende des Tages an. Hamnet ließ sich in einen der weich gepolsterten Sessel fallen, und als er Schritte hörte, schaute er auf. Vor ihm stand Anthony.
»Heute sind Sie aber früh zu Hause«, begrüßte ihn Phillip.
»Aus unbekannten Gründen haben die Gesunden in Singapur die Macht übernommen« – wegen seines Grinsens verschwanden ein paar Sommersprossen in den Lachfalten rund um die haselnussbraunen Augen, was ihn jünger aussehen ließ. »Aber das wird sich sicherlich morgen schon wieder ändern.« Anthony zog sich einen Sessel heran und stellte ein schäumendes, kühles Bier zwischen sie beide auf das Tischchen; er hatte seine Krawatte gegen sein Lieblingshalstuch ausgetauscht, und mit seiner silbergrauen, bis zur Schulter reichenden Künstlermähne sah er mehr wie ein Jazzmusiker denn wie ein ehrwürdiger Hausarzt aus.
»Warum arbeiten Sie wie ein Besessener?«, fragte Hamnet. »Ich habe nicht den Eindruck, dass das unbedingt notwendig ist.«
»Vermutlich bin ich süchtig«, antwortete Anthony, ehe er das Thema wechselte. »Und, mein junger Freund, wie geht es bei Ihnen voran?«
»Ah, ein neuer Tag, eine neue Befragung.«
Anthony stimmte zu. »Den Eindruck habe ich auch. Bisher habe ich aber nur Bruchstücke mitbekommen. Berichten Sie doch, wie die Dinge stehen.«
Ein leichtes Lächeln lief über Hamnets Gesicht. »Wir stecken in einem verdammten Schlamassel.« Seine Hand war noch feucht vom Glas, während er sich über die Wange strich. »Die Shawould fuhr unter liberianischer Flagge. Genauer gesagt, sie hatte einen britischen Eigner, der sie unter ausländischer Flagge fahren ließ, unter einem britischen Kapitän und einem amerikanischen Ersten Offizier. Wir sind in indonesischen Hoheitsgewässern von mehreren Nationen angehörenden Piraten, die aber in Myranmar
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