Schiffe versenken
verfiel die Mannschaft nun immer deutlicher dem Wahnsinn aus Hoffnung und Panik, ähnlich der Menge in einem Fußballstadion, die mit erhobenen Armen die Welle immer rundherum laufen lässt. Jeder Spieler atmete spürbar auf, nachdem er noch einmal davongekommen war, und graue Gesichter, verstohlenes Händeschütteln, verzweifelte Augen und trotz der kühlen Luft schweißüberströmte Stirnen zeugten von der Verzweiflung der Männer. Immer mehr Papier verglomm zu Asche, und die Serviette wurde filigraner und filigraner. Je weniger sichere Zonen es noch gab, umso dichter rückten Janacs Gangster um die Mannschaft, und ihre brutalen, sadistischen Mienen leuchteten vor Spannung, während sie sich den Horror, der ihnen hier geboten wurde, wie eine Droge reinzogen. Noch lag die Patrone auf der spinnwebartigen, angekokelten Serviette, aber so, wie beim Roulette die Kugel zu rollen begonnen hat und dann langsamer wird, wurden die Chancen immer geringer für den, der gerade an der Reihe war.
Dann sah es so aus, als müsste es Deng treffen, der selbst geholfen hatte, die Gangway auszurennen. Es gab kaum noch Platz, um die Glut ohne böse Konsequenzen in einem der drei Segmente zu platzieren, die die Patrone noch hielten, doch als er die Zigarette übernahm, tat er kaltblütig erst einen tiefen Zug, inhalierte langsam und versuchte, sich zu erinnern, was ihm sein Vater vor vielen Jahren über die Kampfsportarten beigebracht hatte. Er schloss die Augen, straffte den Rücken und stellte sich die durchlöcherte Serviette im Geiste vor, und als er die Augen wieder öffnete, sah er die Lösung. Auf der Unterseite eines der Segmente, direkt neben der Patrone, sodass er das Feuer fast neben der Hülse ansetzen musste, war noch ein Papierrest über, der groß genug war, ein weiteres Loch hineinzubrennen. Noch einmal sog er an der Zigarette, bis die Glut hell aufleuchtete, rollte sie dann auf dem Deck ab, um vorne eine scharfkantige Spitze zu bekommen, und stieß dann mit steifem Arm zu. Ganz kurz stieß das Feuer an die Serviette, ein kleines Loch wurde sichtbar, das Papier hielt!
Nach seiner unerwarteten Begnadigung atmete Deng erst einmal tief durch, und die Nerven der anderen waren zum Zerreißen gespannt, als er mit gesenktem Kopf die Zigarette an seinen Nebenmann zur Linken weiterreichte. Als Jose Mendez, der junge, mexikanische Koch auf seiner ersten Reise, sie nahm, war er aschfahl. Sein Mund füllte sich mit Erbrochenem, weil er sich vor Angst übergeben musste, als die Patrone nicht in die Schüssel gefallen war. Er konnte es kaum glauben, dass die Zigarette die ganze Runde gemacht hatte und nun zu ihm zurückkehrte. Natürlich versuchte auch er, erst einmal sich zu beruhigen. Also setzte er sich aufs Deck und holte immer wieder mit geschlossenen Augen Luft. Aber seine Hände hörten nicht auf zu zittern, während er auf die Serviette starrte. Tatsächlich gab es immer noch eine winzige Stelle, die zur Hoffnung berechtigte, aber um sie zu treffen, war äußerste Präzision notwendig, und Jose hatte immer noch keine ruhige Hand, als er sich mit der glühenden Spitze dem Papier näherte. Von den Männern war kein Laut zu hören. Derjenige, der als Nächster dran sein würde, bekreuzigte sich und begann, lautlos zu beten. Mendez’ Hand zitterte immer noch, er hielt die brennende Spitze an die Serviette – den Bruchteil einer Sekunde zu lang. Das Papier glühte auf, eine Flamme züngelte hoch, und die Hülse landete laut klappernd in der Schüssel. Jose brach förmlich zusammen, er hatte nicht mehr die Kraft, die Zigarette zu halten, und sie fiel ebenfalls in die Schüssel. Dort brannte sie weiter, und ein kleiner Rauchring wie von einem Miniaturbegräbnis stieg aus der Mitte der grimmig schweigenden Männer auf.
Janac schnitt eine Grimasse in Richtung Edi, denn ihm wäre der Chinese als Opfer lieber gewesen, aber ein Spiel war ein Spiel, und Regeln waren Regeln. »Nun wissen wir, wer als Erster über die Planke geht. Fessle ihm die Hände und verbinde seine Augen.«
Edi trat einen Schritt vor, riss Mendez auf die Füße, fesselte seine Handgelenke mit den Kabelbindern und verband ihm mit seinem eigenen Halstuch die Augen, wobei der Mann sich vor Angst nicht mal mehr auf den Beinen halten, geschweige denn sprechen konnte. Edi und Soey mussten den schmächtigen Körper bis zur Reling zerren, und erst als er die frische Brise spürte und unten das Wasser rauschen hörte, kam wieder etwas Leben in ihn zurück, und er begann,
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