Schiffe versenken
dahinter steckte. Aber auf der Fähre befanden sich nicht mehr als zehn Passagiere, was an einem Tag mit so schlechtem Wetter auch nicht weiter verwunderlich war, und es handelte sich offensichtlich um lauter Familien, sodass Hamnet sicher war, dass sich der Schnüffler, aus Angst entdeckt zu werden, zurückgezogen hatte. Aber natürlich würde die Polizei schon warten, um ihn festzunehmen, und wenn nicht in Clifford Quay dann eben zu Hause. Im besten Fall war es Zeitverschwendung, im schlimmsten Fall war sein Plan zum Scheitern verurteilt, noch ehe er mit der praktischen Umsetzung begonnen hatte, und deshalb musste er ungesehen von der Fähre verschwinden, bevor sie anlegte. Er griff nach dem Rucksack, der alles enthielt, was er brauchte, und hoffentlich ein Bad im Wasser gut überstehen würde. Dann strich er sanft über Jasmines Arm.
Sie öffnete die Augen, schaute ihm voll ins Gesicht und verstand sofort. »Was ist passiert?«, fragte sie.
Wie zufällig sah sich Hamnet auf dem Deck um, aber ihre Mitreisenden fotografierten vom Bug aus die Stadt. So griff er mit einer Hand nach Bens Buggy, lud sich den Rucksack auf und sagte: »Kommen Sie mit.« Er schob Ben vor sich her bis zu den Toiletten im Heck auf der Steuerbordseite – die Seite, die dem Land abgewandt war –, setzte sich und bedeutete ihr, dasselbe zu tun, während niemand an Bord Notiz von ihnen nahm. »Wir haben nicht viel Zeit«, begann er, »aber ich brauche unbedingt Ihre Hilfe.«
Sie schien fast erleichtert. »Hat es etwas mit den Nachrichten im Radio zu tun?«, fragte sie und schaute auf den Rucksack. »Worum geht es?«
Noch zögerte Hamnet. »Ich kann Ihnen nicht alles sagen, es ist besser, Sie wissen keine Einzelheiten und auch nicht, wo ich mich aufhalte. Werden Sie mir helfen? Werden Sie Ben helfen?«
»Was soll ich tun?«
»Bringen Sie Ben nach England, bringen Sie ihn nach Hause. Zu meiner Mutter.«
Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an und kaute auf ihrer Unterlippe. »Nach England?«
Hamnet beugte sich ganz dicht zu ihr. »Jasmine, es tut mir Leid, aber wir haben wirklich keine Zeit, um Fragen zu beantworten, nicht einmal zum Nachdenken. Werden Sie mir helfen? Bitte?«
Ohne zu zögern, nickte sie entschlossen, und eine Strähne ihres dunklen Haares fiel ihr vors Gesicht. »Ja, natürlich.«
»Haben Sie Ihren Pass dabei? Ich habe alles andere mit, was Sie brauchen werden.«
»Seit Sie mir gesagt haben, dass ich ihn immer einstecken soll, trage ich ihn bei mir.«
»Sehr gut. Ich will aber keinesfalls, dass Sie von hier zum Flughafen fahren und auf die nächste Maschine warten. Nehmen Sie sich lieber im nächsten Hafen ein Taxi, kehren Sie aber nicht erst nach Hause zurück, sondern fahren Sie direkt nach Malaysia. Vielleicht versucht die Polizei, Sie aufzuhalten, aber auch wenn Ihnen jemand folgt, werden Sie schon über die Grenze entkommen sein, ehe er zuschlagen kann. Vermutlich wird man sich aber in erster Linie um mich kümmern, und sobald Sie in Johor Bahru angekommen sind, steigen Sie in einen Bus oder Zug oder ein anderes Taxi um – was eben am schnellsten geht –, fahren nach Kuala Lumpur weiter und nehmen das erste Flugzeug nach Großbritannien. Hier sind Bens Pass und genug Bargeld für die Tickets«, er zog diskret einen braunen Umschlag aus dem Rucksack, »und sobald Sie beide sicher angekommen sind, schicken Sie mir eine E-Mail. Vergessen Sie aber bitte nicht, mir eine Adresse anzugeben, damit auch ich Sie anmailen kann, und dann können Sie auch die Bullens informieren und ihnen mitteilen, wo Sie sind, damit sie sich keine Sorgen machen.« Er reichte ihr den Umschlag. »Alles, was Sie brauchen, finden Sie da drin – auch alle Adressen und genug Geld.«
Jasmine griff nach dem Umschlag. »Und Sie wollen mir nicht sagen, worum es geht?«
»Es ist besser so, bis Sie in England in Sicherheit sind. Die Erklärungen schicke ich dann an die Adresse meiner Mutter, sodass Sie dort alles erfahren, was auch ich weiß. Und bis dahin werden hoffentlich alle Probleme ausgestanden sein.« Wieder zögerte er und schaute auf den Umschlag in ihren Händen. »Außerdem finden Sie auch genug Geld darin, dass Sie von England aus in die Staaten zurückfliegen können.«
Mit gesenktem Blick antwortete sie: »Wer hat gesagt, dass ich nach Hause will?« Hamnet zog die Augenbrauen hoch. »Sie waren auf dem Weg nach Australien, oder? Wenn Sie lieber dorthin wollen, finden Sie bestimmt einen Billigflug, und falls nicht, wenden
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