Schiffe versenken
erst ein Tag vergangen, und erst wenn sie sich am nächsten Morgen nicht melden würde, wäre dies ein Anlass zur Sorge. Janac dagegen hatte die Mail bestätigt, der Wetterbericht war offensichtlich gut – ein Hochdruckgebiet lag über den nördlichen Philippinen –, und so verließ Hamnet das Netz wieder, klappte den Laptop zu und packte ihn weg, nachdem er das schwere, in Leinen gewickelte Bündel herausgenommen hatte, das seit Dubres nächtlichem Anruf stets ganz unten im Rucksack lag. Er hatte keinen Blick mehr darauf geworfen, seit es ihm Moh, Naisboroughs Mann, im Dschungel von Myranmar überreichte, und dankte in Gedanken den Männern von General Lee dafür, dass sie das Ding nicht bei ihm gefunden hatten. Unentdeckt hatte sie ihn auf dem ganzen Weg nach Singapur begleitet, was allerdings mehr auf sein Glück als auf Raffinesse zurückzuführen war. Er selbst hatte sie komplett vergessen, bis er nach der Ankunft bei den Bullens seinen Rucksack ausgepackt hatte.
Nun wickelte er sie zum zweiten Mal aus, um sie gründlich zu inspizieren – eine 9-mm halbautomatische SIG Sauer Pistole. Er entdeckte das Magazin zwischen dem Abzugbügel und der Griffschale; es ließ sich einfach herausklappen, und er sah, dass die Waffe geladen war. Daraufhin wickelte er sie wieder ein und verstaute sie ebenso wie den Computer und das Telefon im Rucksack. Nun war er bereit …
Kapitel 27
Gegen Mitternacht holte Hamnet seinen Anzug aus der Reisetasche und zog sich um. Den steifen, weißen Kragen drehte er nach vorne, aber da er keinen Spiegel hatte, um den korrekten Sitz zu überprüfen, konnte er nur hoffen, dass das Ding überzeugend saß. Nach ein paar Versuchen schaffte er es, die Inhalte aus den Plastiktüten in der Reisetasche zu verstauen, versteckte die abgelegten Kleidungsstücke und den leeren Rucksack unter einem Busch und dachte kurz darüber nach, dass Umweltverschmutzung wahrscheinlich das schlimmste Gesetz war, gegen das er in Singapur verstoßen hatte – bis jetzt.
Er bewegte sich vorsichtig auf den Maschendrahtzaun zu und ging dann an ihm entlang. Auf der anderen Seite strahlte das Flutlicht von hohen Masten, und auch der Lichtschein von den Kränen fiel hell leuchtend mal hier mal dort auf den Platz. Hamnet brauchte nicht lange, um eine geeignete Stelle zu finden, denn am Ende des Lichtfelds wucherte dichtes Gestrüpp am Zaun entlang. Zwei Reihen Stacheldraht in V-Form waren jetzt die einzige Hürde, aber sobald er sie überwunden hatte, konnte er sich auf der anderen Seite einfach im Schutz der grünen Blätter in den Containerterminal fallen lassen. Doch dann wurde es schwieriger, denn er wusste, dass Sicherheitskameras das Gelände überwachten und er sofort auffiel, wenn er hier herumkroch. Also musste er schnellstmöglich aus seinem Versteck ins offene Gelände wechseln, was aber nicht einfach war. Er holte seine orangefarbene Sicherheitsweste aus der Reisetasche – er hatte sie von Konsan bekommen – und zog sie über das Jackett.
In Hockstellung wartete er ab, bis einer der Containerstapler in seine Richtung fuhr, und schon nach kurzer Zeit hörte er das Krachen des Getriebes in hundert Meter Entfernung. Das Rumpeln kam immer näher, und er zögerte nicht länger, als das Ding vorbeikam, sondern verließ schnell hinter dem Stapler die Deckung und schaffte es, den geteerten Damm zu überqueren, ohne dass eine Sirene aufheulte oder die Sicherheitsleute Alarm schlugen. Auch sonst änderte sich nichts an der Geräuschkulisse im Hafen. Also ging er in Richtung der hoch aufgestapelten Container weiter und versuchte, seinen Atem zu beruhigen, während er nach dem richtigen Schiff suchte.
Der Tanjong Pagar Terminal war perfekt organisiert, und die Container standen fünf Stockwerke hoch in streng parallel ausgerichteten Reihen, zwischen denen die Schienen der vierbeinigen Hängekräne verliefen, die sie hin und her wuchten mussten. Hamnet ging zuerst nach Osten, quer durch alle Reihen, Richtung Finger Pier, drehte dort nach Süden ab und ließ Schiffe und Wasser links und die Containerstraßen rechts liegen, während er immer wieder die Namen der Schiffe checkte. Aber die Hanking Empire war nicht dabei. Da niemand Notiz von ihm nahm, überquerte er die Pier am Ende und arbeitete sich nun nach Norden vor, an der East Lagoon entlang, wo er schließlich auf halbem Weg fündig wurde. Da lag sie, und er las weiß auf schwarzem Grund am Heck: Hanking Empire.
Hamnets Augen taxierten das Schiff
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