Schiffsdiebe
was er vorhat?«
» Sie ist nicht dumm. Sogar eine Tusse wie sie kriegt das mit.«
Blue Eyes kauerte sich neben sie. » Na, was habt ihr denn zu bequatschen?«
Nailer sah sie mit ausdrucksloser Miene an. » Sie wollte nur wissen, wie’s mir geht.«
» Gut.« Blue Eyes lächelte – kein schöner Anblick. » Dann halt die Klappe und iss.«
Tool, der sich auf einem Baumstumpf niedergelassen hatte, bleckte die Zähne. » Ein guter Rat«, grollte er.
Pima nickte und richtete sich wortlos auf.
Das verriet Nailer mehr als alles, was sie hätte sagen können. Sie hatte Angst. Er warf einen Blick auf ihre Hand und sah, dass die gebrochenen Finger mit einem Stück Treibholz geschient worden waren. Nailer fragte sich, ob Pima so vorsichtig war, weil sie sich vor seinem Vater fürchtete, oder ob in den letzten drei Tagen noch etwas anderes vorgefallen war.
Nita aß ihre Schale leer und sagte zu niemand Bestimmtem: » Langsam lerne ich, wie man mit den Händen isst.«
Nailer sah sie fragend an. » Womit soll man sonst essen?«
» Messer, Gabel, Löffel?« Sie schien sich ein Lächeln verkneifen zu müssen und schüttelte den Kopf. » Schon okay.«
» Was denn?«, hakte Nailer nach. » Machst du dich lustig über uns, Lucky Girl?«
Nitas Miene wurde vorsichtig. Sie sah ihn fast ängstlich an, und er war froh darüber. » Glaub bloß nicht, Du wärst was Besseres als wir, nur weil wir nicht so vornehm tun!«, fuhr er mit einem wütenden Blick fort. » Wir hätten dir die Finger abschneiden können, und was würden dir Messer und Gabel dann nützen?«
» Es tut mir leid.«
» Das will ich doch hoffen!«
» Lass gut sein, Nailer«, flüsterte Pima. » Sie hat gesagt, dass es ihr leidtut.«
Tool starrte Nita mit seinen toten gelben Augen an. » Vielleicht braucht sie noch ’n bisschen Nachhilfe. Meinst du nicht auch, Nailer?« Er beugte sich vor. » Vielleicht sollte ich ihr beibringen, wie man sich hier benimmt?«
Nita wirkte plötzlich äußerst verängstigt. Nailer schüttelte den Kopf. » Nee. Nicht nötig. Die hat’s kapiert.«
Tool nickte. » Das tun sie alle irgendwann«, sagte er tonlos.
Nailer lief eine Gänsehaut den Rücken hinunter. So nahe war er dieser Kreatur noch nie gewesen. Allerdings erzählten sich die Leute eine Menge Geschichten über den Halbmenschen. Zum Beispiel, woher er die vielen Narben hatte, die sein Gesicht und seinen Oberkörper bedeckten. Und dass er durch die Sümpfe watete und Jagd auf Alligatoren und Pythons machte. Es hieß, er hätte vor rein gar nichts Angst. Er sei so entworfen worden, dass er keine Schmerzen empfand. Er war der Einzige, über den sein Vater mit Achtung sprach und nicht mit abfälliger Überlegenheit. Der Halbmensch war wirklich furchterregend, und als Nailer jetzt sah, wie Tool das Mädchen musterte, wurde ihm das einmal mehr bewusst.
» Nicht nötig«, wiederholte er. » Die wird schon.«
Tool zuckte mit den Achseln und wandte sich wieder seinem Essen zu. Eine Weile saßen sie schweigend da. Außerhalb des Lichtkreises, den das Feuer warf, war nichts außer Tiergeräuschen und Insekten, der schwarzen Wildnis des Dschungels und der Sümpfe, der drückenden Hitze des Landesinneren. Das Rauschen der Brandung war so leise, dass sie, so vermutete Nailer, etwa anderthalb Kilometer vom Ufer entfernt waren. Er ließ sich wieder auf den Rücken sinken und blickte in die Flammen. Das Essen hatte ihm gutgetan, aber er war schon wieder müde. Er ließ seine Gedanken schweifen. Was sein Vater wohl vorhatte? Warum wirkte Pima so besorgt? Und was ging dem fremden Mädchen wohl durch den Kopf. Er döste ein.
» Verdammt, Nailer, du bist wach!«
Nailer schlug die Augen auf. Sein Vater kauerte über ihm. Tätowierte Drachen und Augen, die vor lauter Slide-Amphetaminen glänzten, starrten ihn an.
» Ich wusste, dass du durchkommst«, sagte sein Vater. » Du bist genauso zäh wie dein alter Herr. Uns haut so schnell nichts um, was?« Er lachte und boxte Nailer gegen die Schulter. Dass sein Sohn vor Schmerz zusammenzuckte, schien er nicht zu bemerken. » Du siehst deutlich besser aus als noch vor ein paar Tagen.« Richard Lopez’ Haut war blass und schweißbedeckt, sein Grinsen breit und raubtierhaft. » Ich dachte schon, wir müssten dich den Würmern überlassen!«
Nailer zwang sich zu einem Lächeln und versuchte die Stimmung seines Vaters abzuschätzen. » Dauert wohl noch ein bisschen.«
» Yeah, du bist ein Kämpfer.« Er warf einen kurzen Blick hinüber zu
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