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Schiffsdiebe

Schiffsdiebe

Titel: Schiffsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Hannes; Bacigalupi Riffel
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Unterschied zwischen töten und getötet werden sehr genau, die Nullsummenrechnung, die aussagte, dass es besser war, am Leben zu sein als tot, und er hätte nicht gezögert, sich die Tatsache zunutze zu machen, dass sein Gegner schlief.
    Schnell und leise, redete Nailer sich Mut zu. Die Gurgel durchgeschnitten und Schluss.
    Vor ein paar Jahren hatte sein Vater ihn eine Ziege töten lassen, um ihm zu zeigen, wie das ging – wie die Klinge Fleisch und Sehnen zerschnitt. Nailer konnte sich noch gut daran erinnern, wie sein Vater neben ihm kauerte, die Finger um die Faust seines Sohnes geschlossen. Die Ziege hatte auf der Seite gelegen und hatte mit bebenden Flanken ihre letzten Atemzüge getan. Richard Lopez hatte Nailers Hand geführt und der Ziege das Messer an die Halsschlagader gesetzt.
    » Fest drücken«, hatte er gesagt.
    Und Nailer hatte fest gedrückt.
    Nailer schob die Farnwedel auseinander – Blue Eyes lag direkt vor ihm. Sie atmete ruhig, und im Schlaf waren ihre Gesichtszüge völlig glatt, als hätte die Brutalität, die unter dieser Oberfläche lauerte, keine Spuren auf ihnen hinterlassen. Ihr Mund stand offen. Sie lag auf dem Bauch, die Arme untergeschlagen, in der kühlen Nachtluft eng an den Körper geschmiegt. Nailer schickte ein Stoßgebet zu den Parzen hinauf. Ihr Hals war nicht so entblößt, wie er es gehofft hatte. Er musste rasch handeln. Damit sie sofort tot war.
    Er schlich sich näher heran und biss sich auf die Unterlippe. Hob das Messer und hielt den Atem an.
    Ihre Augen öffneten sich.
    In panischer Hast stieß er zu, aber Blue Eyes war schneller. Sie rollte beiseite und sprang auf die Füße. Riss ihre Machete empor. Ohne einen Laut von sich zu geben. Kein ängstlicher Schrei und kein wütendes Brüllen. Ihr Schatten verschwamm. Nailer wich zurück, als ihre Machete an seinem Gesicht vorbeipfiff. Sie setzte nach. Nailer hob das Messer, doch anstatt ihn ein zweites Mal mit ihrer Klinge anzugreifen, trat Blue Eyes ihm die Beine weg. Nailer krachte zu Boden. Blue Eyes kniete sich auf seine Brust, und er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Mit einer beiläufigen Handbewegung schlug sie ihm das Messer aus der Hand.
    Er lag keuchend da und konnte sich nicht bewegen. Blue Eyes presste ihm die Machete an den Hals.
    » Du armer kleiner Narr«, murmelte sie.
    Nailer gab ein heiseres Stöhnen von sich. Er zitterte vor Angst. Blue Eyes lächelte und hob die Machete. Die Spitze hing zitternd über seinem rechten Auge. » Ich bin bei Männern großgeworden, die nachts zu mir geschlichen kamen.« Die Klinge zuckte zu seinem linken Auge hinüber. » Ein kleiner Lausfresser wie du hat da nicht den Hauch einer Chance.« Sie grinste und führte die Machete wieder über sein rechtes Auge.
    » Such dir eins aus«, sagte sie.
    Nailer hatte solche Angst, dass er erst nicht verstand. » W-was?«
    Blue Eyes bewegte die Klinge über seinen Augen hin und her. » Entscheide dich«, sagte sie. » Rechts oder links.«
    » Mein Papa …«
    » Lopez würde sie dir beide ausstechen.« Sie lächelte. » Und ich auch, wenn du nicht bald weißt, was du willst!« Wieder zuckte die Spitze der Machete vor. » Rechts oder links?«
    Nailer biss sich auf die Unterlippe. » Links.«
    Blue Eyes grinste. » Dann also rechts.«
    Sie drehte die Machete und stieß zu.
    Ein Schatten stürzte sich auf Blue Eyes. Die Machete verfehlte Nailer nur knapp – seine Wange brannte, als Blue Eyes wild um sich schlagend von ihm herunterrollte. In der Finsternis ertönten von überallher laute Stimmen. Stahl klirrte auf Stahl, von wilden Flüchen und Schmerzensschreien begleitet. Sein Retter war offenbar nicht alleine gekommen.
    Blue Eyes und ihr Gegner bildeten ein einziges Gewirr aus Armen und Beinen. Im Mondlicht konnte Nailer schließlich etwas erkennen: Es war Pimas Mutter, die mit Blue Eyes um die Machete rang. Sadna drosch Blue Eyes eine Faust ins Gesicht. Knochen knirschten. Blue Eyes warf sich herum und befreite sich aus Sadnas Griff. Sofort war sie auf den Beinen, die Machete erhoben. Die beiden Frauen umkreisten einander.
    » Lass gut sein, Blue Eyes«, sagte Sadna. » Das ist nicht dein Kampf!«
    Blue Eyes schüttelte den Kopf. » Der Kleine schuldet mir was, Sadna. Hat gedacht, er kann mich abmurksen. Das kann ich ihm nicht durchgehen lassen.«
    Die Machete sauste herab – erst in einer Finte von oben und dann plötzlich ganz flach. Sadna machte einen Satz rückwärts über einen moosbewachsenen Stamm, und fast hätte

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