Schiffsdiebe
gebrauchen.« Er deutete auf eine ganze Reihe von Hebeln. » Woher willst du wissen, welche von denen die Sperrung lösen und welche du brauchst, um den Ölstand zu prüfen? Woher willst du wissen, welche den Antrieb zuschalten und welche die Tragflügel ausfahren?« Knot legte einen Hebel um und drückte in dem Wartungsschacht auf einen Knopf. Dann griff er nach unten und hob Nailer aus den Eingeweiden der Maschine. » Pass auf!«
Eine rote Lampe leuchtete auf, und Knot legte einen weiteren Hebel um. Das Getriebe erwachte kreischend zum Leben – die Räder drehten sich so schnell, dass Nailer ihnen kaum folgen konnte. Eine öliger Windstoß fuhr über sie hinweg, während sie auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigten. Der ganze Wartungsbereich war zu einem Strudel aus rasenden Zahnrädern geworden, die allesamt an Nailer zu zerren schienen. Wenn er da unten gewesen wäre … er wollte nicht daran denken. Nailer bekam eine Gänsehaut, als ihm klar wurde, was für eine Arbeit Reynolds ihm da gegeben hatte.
» Woher willst du wissen, was du tun sollst?«, brüllte Knot über den Höllenlärm hinweg. » Woher willst du wissen, wie du es ausschaltest?« Er drückte auf einen anderen Knopf und fuhr das System herunter. Die Räder drehten sich immer langsamer und blieben schließlich stehen. Es herrschte wieder Stille.
» Ich brauche jemanden, der keinen Fehler macht und sich nicht den Arm abreißt, weil er auf den falschen Knopf drückt«, grollte Knot. » Ich werde Reynolds über deine Unfähigkeit informieren.«
» Warte!« Nailer zögerte. » Kannst du mir das nicht beibringen? Wenn du Reynolds nichts sagst, lerne ich, was du willst. Wirf mich bitte nicht aus der Mannschaft, bevor ich überhaupt angefangen habe.«
Knot betrachtete Nailer mit gelben Hundeaugen. » Du verlangst von mir, dass ich meinen Herrn anlüge?«
» Nein.« Nailer stockte die Stimme, als er begriff, auf was für unsicherem Boden er sich mit dem Halbmenschen befand. » Ich meine nur – ich kann alles lernen, was du von mir erwartest. Gib mir nur eine Chance. Bitte!«
Knot legte den Kopf schräg und lächelte. » Dann wollen wir doch mal sehen, ob du auch so gut bist, wie du behauptest!«
» Also wirst du ihr nichts erzählen?«
Knot lachte, ein leises Grollen. » O nein. Auf diesem Schiff haben wir keine Geheimnisse. Aber vielleicht gesteht dir Leutnant Reynolds eine Gnadenfrist zu … jedenfalls, solange du motiviert bleibst!«
» Ich bin motiviert. Und wie!«
Knots Zähne schimmerten im Halbdunkel. » Es ist doch immer wieder eine Freude, wenn junge Leute ihre Begeisterung für das Lernen entdecken.«
21
Am achten Tag auf See hatten sie Glück. Die Ray glitt auf den Florida-Kanal zu und auf den dahinter liegenden Atlantik. Die Nachricht verbreitete sich wie der Blitz auf dem ganzen Schiff. Bald waren alle auf Deck. Der Kapitän gestattete sich ein Lächeln.
» Die Ray«, sagte er. » Nicht die Pole Star.«
Nailer konnte erkennen, dass Candless erleichtert war. Er ließ den Blick über den Horizont schweifen, um das Schiff auszumachen, auf dem sich Nita befand, aber das war unmöglich. Der Kapitän sah, wie er sich reckte, grinste und nahm ihn mit hinauf zum Kommandostand, wo ein Fernrohr und ein fotografisches System Fernaufnahmen vom Horizont machten und dann vergrößerten. Aus Flecken wurden Schiffe mit Bug und Heck und Gesichtern über der Reling. Und das aus einer Entfernung von fünfzehn Meilen. Nailer betrachtete die Bilder voller Ehrfurcht.
» Wir gehen jetzt etwas näher ran und machen weitere Aufnahmen«, sagte der Kapitän. » Wir möchten wissen, wer sich auf Deck befindet.« Er wies mit einer Kopfbewegung zu seinen Leuten hinunter. » Und wir sollten uns möglichst wenig zeigen.« Er hielt inne. » Du bleibst unten, bis wir bereit sind anzugreifen. Wenn Miss Nita dich verrät oder dein Vater dich zu Gesicht bekommt, sind sie gewarnt. Das sollten wir vermeiden.« Der Kapitän schaute wieder nachdenklich zum Horizont hinüber. » Das sollten wir unbedingt vermeiden.«
» Können wir sie einholen?«, fragte Nailer. Sie schienen unglaublich weit weg zu sein.
Reynolds, der am Steuerrad stand, grinste breit. » Wir sind ein schnelles Schiff, und sie sind eine Luxusbarkasse.«
» Also kriegen wir sie?«
» O ja! Wir werden sie einholen, und dann entern wir sie. Und verdienen uns eine ordentliche Prämie.« Sie und der Kapitän wechselten ein vielsagendes Lächeln.
» Dann bekommt Mr. Marn endlich, was er verdient«,
Weitere Kostenlose Bücher