Schiffsmeldungen
verquollenen Augen, und Jack Buggit zerrte ihn von der heißen Kiste weg, auf einen Haufen kalten Fisch.
»Herr Jesus Christus! Ich hab’ doch gewußt, daß hier draußen einer ist. Hab’s gespürt.« Er warf einen Persenning über Quoyle. »Ich hab’ dir ja gesagt, das Ding ersäuft dich. Wie lang bist du schon im Wasser? Kann nicht allzu lange sein, Junge, da drin lebt man nich’ lang.«
Aber Quoyle konnte nicht antworten. Er schlotterte so stark, daß seine Fersen auf die Fische trommelten. Er versuchte, Jack zu sagen, er solle die heiße Kiste holen, damit ihm wieder warm würde, aber sein Kiefer wollte nicht funktionieren.
Halb zerrte, halb schob Jack ihn in Mrs. Buggits perfekte Küche. »Da ist Quoyle, den hab’ ich aus dem verfluchten Gesöff gefischt«, sagte er.
»Wenn Sie wüßten, wie viele Jack gerettet hat«, sagte sie. »Wie viele.« Alle außer einem. Sie zog Quoyle die Kleider aus, legte ihm Wärmflaschen auf die Oberschenkel und hüllte ihn in eine Decke. Sie machte einen Becher dampfenden Tee und zwängte ihn Quoyle löffelweise zwischen die Zähne. Man merkte, daß sie Übung hatte. Jack murmelte, eine Tasse Rum würde mehr helfen.
Nach zwanzig Minuten waren sein Kiefer locker genug und sein Verstand stark genug, daß er das mit dem sinkenden Boot, die Täuschung mit der heißen Kiste herauswürgen, die Einzelheiten des Domizils der Buggits wahrnehmen konnte. Daß er eine zweite Tasse Tee mit viel Zucker und Kondensmilch trinken konnte.
»Das ist ein schöner Oolong-Tee«, sagte Mrs. Buggit. Rum konnte es an Heilwirkung nicht einmal entfernt damit aufnehmen.
Alles im Haus war gemäß der großen Kunst der Gegend mit Schiffchen- und Häkelspitzen bedeckt, Muster aus Spitzen-wellen und Treibeis, Wellhornschnecken und Seetang, der Schwingung von Hummerfühlern, dem runden Knoten eines Dorschauges, den stacheligen Kommas von Krabben und zerfurchten Meereshöhlen, weißem Schnee auf schwarzem Felsen, Möwen mit Windmühlenflügeln, schräg fallendem Silberregen. Harte, gequälte Knoten umgaben Bilderrahmen von Ahnen und Ankern, den Einband der Bibel zierten Schaumkronen, das Zifferblatt der Uhr lugte wie das Gesicht einer Braut aus einem Kranz handgearbeiteter Wiesenblumen. Die Knäufe der Küchenschubladen hatten Troddeln wie eine Nackttänzerin in einem Freudenhaus, die Kesselgriffe waren mit Schlangenrippmuster umstrickt, die bequemen Sessel trugen Archipele aus Faden und Garn, über die Riffe von Arm-und Rückenlehnen geworfen. Auf einem Regalbrett ein Telefonbuch der Provinz Ontario von 1961.
Mrs. Buggit stand vor der nilgrünen Wand, trat an den Herd vor, um den Kessel wieder aufzufüllen, ihre Hände glichen geschweißten Schöpfkellen. Große knubbelige Knöchel und narbige Finger. Das kochende Wasser schoß in die Teekanne. Mrs. Buggit trug ein ärmelloses Baumwollkleid. Das Haus atmete tropische Hitze und die Trägheit von Komfort.
Sie hatte eine Stimme, die vom Schreien gegen den Wind und dem Äußern fester Meinungen geprägt war. In diesem Haus schrumpfte Jack zu Puppengröße zusammen, seine Frau wurde in dem wächsernen Glanz der Kaskaden von Blumen riesengroß. Sie musterte Quoyles Gesicht, als hätte sie ihn einst gekannt. Seine Zähne am Becher klapperten weniger. Die Schauder, die ihn von Kopf bis Fuß geschüttelt hatten, verebbten.
»Ihnen wird schon warm«, sagte sie, der es nie wieder richtig warm werden konnte, die jetzt mit einem heißen Ziegel-stein für seine Füße zu ihm trat. Auf der Matte regte sich eine gefleckte, halb ausgewachsene Hündin, spitzte kurz die Ohren.
Wie viele Männer, die ihre Tage bei harter körperlicher Arbeit zubringen, erschlaffte Jack, wenn er sich in einen Sessel setzte, streckte alle viere von sich, als würde der Luxus seine Muskeln zu Mus machen.
»Das war dein Körperbau, das ganze Fett, weißt du, das hat dich die ganzen Stunden isoliert, dich am Schwimmen gehalten. Ein dünner Mann wäre gestorben.«
Da fiel Quoyle der gelbe Mann wieder ein, und er erzählte seine Geschichte von neuem, fing mit dem Spaziergang auf der Landzunge an und endete mit dem Licht in seinen Augen.
»Bei den Öfen?« Jack ging zu dem Telefon in einer Nische unter der Treppe und rief die Küstenwache an. Quoyle saß mit klingenden Ohren da. Mrs. Buggit sprach mit ihm.
»Menschen mit Brille kommen mit Hunden nicht klar«, sagte sie. »Ein Hund muß Ihnen klar in die Augen sehen können, um Sie zu verstehen. Ein Hund wartet darauf, daß Sie
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