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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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überschreiben. Es werden jetzt ganz schöne gefangen.«
     
    Wavey saß mit Bunny im Gästezimmer der Buggits, wo Quoyle mit Wärmflaschen geschlafen hatte, auf der Bettkante.
    »Schau«, sagte Wavey. »Erinnerst du dich an den toten Vogel, den du vor ein paar Wochen am Ufer gefunden hast? Als Dad die Heringe gebraten hat?« Denn sie sagten alle »Dad« zu ihm.
    »Ja.« Bunnys Finger fummelten an der Bettdecke.
    »Der Vogel war tot und hat nicht geschlafen. Weißt du noch, wie du ihn dauernd angeschaut hast und er immer gleich war? Tot. Wenn etwas tot ist, dann kann es nicht mehr aufwachen. Es schläft nicht. Das gilt auch für tote Menschen.«
    »Onkel Jack war tot und ist aufgewacht.«
    »Er war nicht richtig tot. Sie haben sich geirrt. Dachten, daß er tot ist. Das wäre nicht das erste Mal gewesen. Passierte mit einem Jungen, als ich zur Schule ging. Eddie Bunt. Sie dachten, er wäre ertrunken. Aber er war in einer Art Koma.«
    »Was ist ein Koma?«
    »Tja, das ist, wenn du bewußtlos bist, aber du bist nicht tot und schläfst nicht. Etwas in deinem Körper oder deinem Kopf ist verletzt, und der Körper wartet eine Weile, bis es ihm wieder so gut geht, daß er aufwachen kann. Es ist so, wie wenn dein Dad morgens das Auto startet und aufwärmen läßt. Es läuft, aber fährt nirgendwo hin.«
    »Dann ist Petal in einem Koma. Sie schläft, sagt Dad, und kann nicht aufwachen.«
    »Bunny, ich sag’ dir jetzt was graderaus. Petal ist tot, sie ist nicht in einem Koma. Sie schläft nicht. Dein Dad hat das gesagt, damit du und Sunshine nicht zu traurig werdet. Er wollte lieb zu euch sein.«
    »Sie könnte in einem Koma sein. Vielleicht haben sie sich geirrt wie bei Onkel Jack.«
    »O Bunny, es tut mir leid, aber sie ist wirklich und wahrhaftig tot. Wie der kleine Vogel, der tot war, weil sein Genick gebrochen war. Manche Verletzungen sind so schwer, daß sie nicht besser werden können.«
    »War Petals Genick gebrochen?«
    »Ja. Ihr Genick war gebrochen.«
    »Dennis’ Freund Carl hat ein gebrochenes Genick, und er ist nicht tot. Er muß bloß einen großen Kragen tragen.«
    »Sein Genick war bloß fast gebrochen.«
    Schweigen. Bunny nestelte an den gehäkelten Sternen der Bettdecke. Wavey sah, daß die Fragen noch lange kommen würden, daß das Kind die Feinheiten und Abstufungen des Daseins abmaß. Unten schwoll das Getöse und Gelächter an. Oben: schwierige Fragen. Warum wurde der eine verschont und ein anderer verloren? Warum stand einer auf und ein anderer nicht? Ach, sie konnte Jahre um Jahre mit Erklärungen verbringen und die Geheimnisse nie auflösen. Würde es aber versuchen.
    »Wavey. Können wir nachschauen, ob der Vogel noch da ist?« Gespannte, kleine Finger, die an der Häkelarbeit zerrten.
    »Ja«, sagte sie. »Wir schauen nach. Aber vergiß nicht, daß wir einen schlimmen Sturm hatten und so ein kleines Ding wie ein toter Vogel weggeweht werden kann oder die Wellen hochkommen und ihn mitnehmen können. Oder vielleicht holt ihn sich eine Katze oder eine Möwe zum Mittagessen.
    Vermutlich werden wir ihn nicht finden. Komm. Wir sehen mal, ob Ken uns hinfährt. Dann fahren wir zu mir nach Hause und machen Kakao.«
     
    Der Felsen war da, aber der Vogel nicht. Eine kleine Feder in einem Büschel Gras. Sie hätte von jedem Vogel stammen können. Bunny hob sie auf.
    »Er ist weggeflogen.«
     
    In den Wochen nach Jacks Wiederauferstehung, seiner langsamen Genesung von der anschließenden Lungenentzündung und Stimmlosigkeit erzählte er flüsternd Einzelheiten seiner Rundfahrt zum anderen Ufer und wieder zurück.
    Ein anständiger Tag. Nicht viele Hummer, aber ein paar. Auf dem Weg zurück war der Motor schlecht gelaufen. Hatte ausgesetzt. Die Taschenlampenbatterie leer. Fummelte zwei Stunden lang im Dunkeln am Motor herum und brachte ihn nicht zum Laufen. Ein paar Skiffs fuhren vorbei, er rief, um sich abschleppen zu lassen. Hörten ihn nicht. Später und später. Dachte, er würde die ganze Nacht dort verbringen. Zündete sein Feuerzeug an und schaute auf seine Armbanduhr. Fünf vor zehn. Skipper Tom miaute und hüpfte herum, als würde ihn etwas jucken. Erbrach dann eine Ladung Katzenkotze über eine Hummerfalle. Jack warf sie über Bord, um sie abzuwaschen, und das war auch schon alles; er wurde ins Wasser gerissen. Zerrte an der Schnur an seinem Gürtel, an der sein Messer hing. Spürte, wie der Knoten aufging, das Messer ihn seitlich am Kopf traf, als es sank. Atmete Wasser. Kriegte Krämpfe. Pißte,

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