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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Wasser gegenüber Land; als würde in der Mitte der Erde zweimal am Tag ein großes Herz schlagen.
    Diese Gewässer, dachte Quoyle, heimgesucht von vermißten Schiffen, Fischern, Forschern, die in Meerlöcher hinuntergurgelten, so schwarz wie ein Hundeschlund. Die in Salz-brühe um Hilfe brüllten. Wikinger unter knatternden Winden, die anhand des gebündelten Lichts von Sonnensteinen durch den Nebel steuerten. Die Inuit in Fellbooten, atmend, atmend, das rhythmische Einsaugen kalter Luft, vereiste Paddel, die eintauchten, gefrierende Gischt, glänzender Rücken, der auf-taucht, Aufprall, das Boot zerfetzt, in die Tiefe kreiselnd. Tausendjährige Eisberge von den Gletschern, schauerlich, still, abgesehen von den Wellen, die sich an ihren Flanken brachen, das trügerische Geräusch der Küstenlinie, wo keine Küstenlinie war. Nebelhörner, gedämpftes Gewehrknallen entlang der Küste. Eis, das Land an Meer schweißte. Frostrauch. Wolken, gefleckt von Spiegelungen der Wasserlöcher in den Eisplatten. Die grelle Helligkeit des Eises, die Ausmaß und Entfernung aus-löschte, die Sinne Einbildung und Täuschung unterwarf. Ein merkwürdiger Ort.
    Als Quoyle hinabkletterte, rutschte er auf dem trügerischen Tang aus, klammerte sich an den Felsen. Erreichte einen Vorsprung, auf dem er stehen und den Hals recken konnte, in den Mahlstrom hinunterblicken. Konnte nicht weitergehen.
    Er sah drei Dinge: eine Honigwabe überspülter Höhlen; einen Felsen in Gestalt eines großen Hundes; einen menschlichen Leichnam in einem gelben Anzug, den Kopf unter Wasser, als wäre er entzückt über die Muster am Meeresgrund. Arme und Beine ausgebreitet wie ein Seestern, glitt der Leichnam in eine kleine Höhle und wieder heraus, ein Spielzeug an einem Faden, an dem das Meer zupfte. ZEITUNGSREPORTER ANSCHEINEND MAGNET FÜR TOTE.
    Es gab keinen Weg zu der Leiche, es sei denn, er sprang in den Schaum. Wenn er ein Seil und einen Haken mitgebracht hätte ...Er begann, wieder die Klippe hochzuklettern. Da fiel ihm ein, daß der Mann womöglich von da gestürzt war. Doch wahrscheinlicher aus einem Boot. Es melden.
    Wieder auf festem Boden, rannte er. Seine Seite schmerzte. Den toten Mann melden. Vom Haus aus hätte er noch eine Stunde gebraucht, um die Bucht bis zur Station der berittenen Polizei zu umfahren. Schneller mit dem Boot. Der Wind in seinem Rücken strich sein Haar nach vorn, so daß die Spitzen nach seinen Augen schnappten. Anfangs spürte er die Kälte an seinem Hals, aber während er über die Felsen trottete, wurde er rot vor Hitze und mußte seine Jacke aufmachen. Brauchte lange bis zum Steg.
    Von der Dringlichkeit der Angelegenheit gepackt, jenem gelben Leichnam, der hin und her trieb, machte er die Leinen los und nahm geradewegs Kurs über die Bucht auf Killick-Claw. Als hätte es noch eine Chance gegeben, den Mann zu retten. Zehn Minuten später, als er aus dem Schutz der Leeküste und im Wind war, wußte er, daß er einen Fehler begangen hatte. War mit seinem Boot nie in so rauhem Gewässer gewesen. Die Wogen kamen von der Öffnung der Bucht her breitseits daher, Schaumkronen wie grausames Lächeln. Das Boot schlingerte, stieg in die Höhe, fiel mit Übelkeit bereitender Geschwindigkeit in die Wellentäler. Instinktiv änderte er den Kurs, nahm die Wellen schräg mit dem Bug. Aber jetzt steuerte er auf einen Punkt nordöstlich von Killick-Claw zu. Irgendwo würde er wenden müssen und Ostsüdost Richtung Hafen fahren. In seiner Unerfahrenheit wußte Quoyle nicht, wie man über die Bucht kreuzte, eine lange Strecke mit dem Wind und den Wellen schräg von achtern und dann einen kurzen Schlag mit dem Wind über dem anderen Bug. Auf halber Strecke machte er plötzlich eine Wende Richtung Killick-Claw, bot sein niedriges, flaches Heck direkt den Wellen dar.
    Das Boot schlingerte schlimmer, und eine kurze Schnur glitt unter dem Sitz hervor. Sie war an einem Ende verknotet, hatte am anderen Kinken und Schlingen, als wären alte Knoten endgültig aufgedröselt worden. Zum erstenmal begriff Quoyle: Die verknoteten Stricke hatten eine Bedeutung.
    Das Boot stampfte mit der Nase voraus, der Bug grub sich in das laute Wasser, während die Schraube raste. Quoyle hatte Angst. Jedesmal, wenn ihm die Pinne aus der Hand rutschte und das Boot gierte. Ein paar Minuten später war seine Fahrt zu Ende. Der Bug schlug auf wie eine Axt, schleuderte das Heck hoch. Sogleich packte eine Welle zu, warf das Boot breitseits der heranrollenden See zu. Es

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