Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
Vom Netzwerk:
wegzerren.
    Stellte sich in die Schlange, die sich in die Küche schob, wo es Kuchen gab und Brotzöpfe, den dampfenden Kessel, eine Reihe Whiskeyflaschen und kleiner Gläser. Das Gerede schwoll an, es ging um Jack. Was er alles getan oder vielleicht getan hatte.
    Billy Pretty sprach, ein Glas in der Hand. Sein Gesicht war vom Whiskey blutrot, und die Worte purzelten als ekstatische Deklamation heraus, schwankten im Seegang seines Redens. »Ihr wißt alle, daß wir nur auf der Durchreise sind. Wir wandeln nur ein paarmal über diese Steine, unser Boot treibt eine kurze Weile dahin, und dann müssen wir untergehen. Das Wasser ist eine dunkle Blume, und ein Fischer ist eine Biene in ihrem Herzen.«
    Dennis in einem Sergeanzug mit gebauschten Bündchen und Beety mit der Hand auf Mrs. Buggits zitternder Schulter. Dennis wühlte in Schachteln und Schubladen, suchte nach Jacks Logennadel. Die fehlte, seit Jahren fehlte. Jetzt wurde sie gebraucht.
    Draußen spielten Kinder. Quoyle sah, wie Marty im Hof den Hennen Brotkrumen zuwarf. Aber Bunny wollte nicht zu ihr gehen, schlängelte sich zurück in den Salon und bezog neben dem Sarg Stellung.
    »Ich hole sie«, sagte Wavey. Denn das Starren des Kindes war unnatürlich. Während Dennis seiner Mutter die Nadel zeigte, die er in der Speisekammer auf dem obersten Regalbrett in einer Tasse gefunden hatte. Ein Emailkranz mit der Initiale R. Sie nahm sie, stand auf und ging langsam in den Salon. Um sie an Jacks Revers zu heften. Der letzte Schliff. Beugte sich über ihren toten Mann. Die Nadelspitze zitterte, als sie versuchte, durch das Gewebe zu stechen. Ein respektvolles Schweigen der zusehenden Trauergäste. Plötzliches Schluchzen von Beety. Wavey zog sanft an Bunnys Hand. Ein starrer Blick auf die Leiche. Sie wollte nicht kommen, riß sich los.
    Ein Husten wie bei einem alten Motor, der startet. Mrs. Buggit ließ die Nadel auf den Satin fallen, drehte sich um und packte Dennis am Arm. Ihre Kehle erstarrt, die Augen wie hölzerne Türknäufe. Wavey zerrte Bunny weg. Dennis war derjenige, der rief:
    »Dad ist wieder am Leben!«
    Und sprang vor, um seinem Vater dabei zu helfen, aus dem engen Sarg zu kommen. Ein Gebrüll und Gekreisch. Einige stolperten rückwärts, andere sprangen vor. Quoyle schoß aus der Küche, sah einen Knoten von ausgestreckten Armen, die dem grauen Jack in die Gegenwart zurück helfen wollten, während ihm mit jedem Senken des Brustkastens Wasser aus dem Mund tröpfelte. Und hörte Bunny durchs Zimmer rufen: »Er ist aufgewacht!«
     
    Quoyle fuhr den zittrigen Dennis durch den Nebel in die Klinik, folgte dem Krankenwagen. In dem heulenden Fahrzeug konnten sie Mrs. Buggits Profil sehen. Den Whiskey ließen sie schnell hinter sich, das laute, ungläubige Gebrabbel und Geschrei von einem heiligen Wunder. Gegenüber Quoyle wiederholte Dennis alles, was geschehen war, was er gedacht, was er gefühlt, was er gesehen hatte, was der Notarzt gesagt hatte, als wäre Quoyle nicht dabei gewesen.
    »Sie sagen, sie machen sich Sorgen wegen einer Lungenentzündung! Und einem Gehirnschaden! Aber ich nicht!« Dennis lachte, klopfte auf den Autositz, sagte: Fahr dem Krankenwagen nach, die Hände voller Papiere, die er irgendwo aufgeklaubt hatte. Er redete wie eine Windmühle, in hohen, im Kreis wirbelnden Sätzen. Raschelte mit den Papieren und sortierte sie beim Fahren. Boxte Quoyle in die Schulter.
    »Da liegt er, will sich aufsetzen. Er is’ ziemlich fest eingekeilt. Kommt halb hoch und schaut uns an. Hustet wieder. Das Wasser sprudelt nur so aus ihm raus. Kann überhaupt nich’ sprechen. Aber scheint zu wissen, wo er is’. Der Doktor kommt mit der Ausrüstung da, sagt, daß er’s wahrscheinlich schafft, zäh, wie er is’. Sagt, daß normalerweise Kinder das Untertauchen überleben. Is’ bei Erwachsenen selten. Aber die kennen Dad schlecht. Die Kälte des Wassers schläfert nämlich den Organismus ein, und das Herz schlägt ganz langsam. Eine Weile lang. Der Doktor sagt, er kann nich’ lang im Wasser gewesen sein. Sagt, er wettet, daß er’s schafft. Und Mutter! Das erste, was sie sagt, als sie wieder reden kann, sie sagt: Dennis hat deine Logennadel gefunden, Jack. Die so lang verschwunden war.«
    Quoyle sah es auf der Titelseite, es schlug alles andere haus-hoch. Dennis warf das Papier auf den Boden des Autos.
    »Mach langsamer, ich muß das hier in Ordnung bringen.«
    »Was ist das?«
    »Muß Dad unterschreiben. Seine Hummerlizenz. Muß er mir

Weitere Kostenlose Bücher