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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Fernlastzügen, Geländewagen mit kaputter Federung, Transportern mit Vierradantrieb, Schneepflügen, Motorschlitten. Der Laden war voll.
    »Das einzige, was noch frei ist, ist das De-Luxe-Hochzeitszimmer«, sagte der Angestellte und rieb sich seine entzündeten Augen. »Wegen dem Sturm bleibt jeder da, außerdem ist heute abend das Darts-Finale. Brian Mulroney, der Premierminister, hat letztes Jahr in dem Zimmer übernachtet. Es ist groß, zwei Betten und zwei Feldbetten. Seine Leibwächter haben auf den Feldbetten geschlafen. Hundertzehn Dollar die Nacht.« Er hatte sie in der Zange. Reichte Quoyle einen verzierten Schlüssel mit der Prägung 999. Neben der Kasse stand ein Korb mit Aufzieh-Pinguinen, und Quoyle kaufte jedem Mädchen einen. Bunny brach die Flügel von ihrem ab, noch bevor sie aus der Eingangshalle waren. Eine nasse Spur auf dem Teppichboden.
    Zimmer 999 lag drei Meter von der Hauptstraße entfernt, hatte nach vorne ein großes Glasfenster. Bei jedem Paar Scheinwerfer, das auf den Parkplatz bog, glitten die Lichtkegel über die Wände des Zimmers wie rohe Eier in Öl.
    Der innere Türknauf blieb Quoyle in der Hand hängen, und er steckte ihn vorsichtig wieder auf. Er würde sich von dem Angestellten am Empfang eine Schraube holen und den Knauf befestigen. Sie sahen sich in dem Zimmer um. Eines der Betten war ein rundes Sofa. Der Teppichboden voller Dreckstapfen.
    »Es gibt keinen Kleiderschrank«, sagte die Tante. »Mr. Mulroney muß in seinem Anzug geschlafen haben.« Toilette und Dusche in eine Zelle gequetscht. Das Waschbecken gleich neben dem Fernsehgerät hatte nur einen Hahn. Wo der andere gewesen war, klaffte ein Loch. Aus dem Fernsehgerät hingen Kabel bis zum Boden. Die Oberseite des Apparats sah geschmolzen aus, offensichtlich durch ein Lagerfeuer.
    »Ist doch egal«, gähnte die Tante, »besser, als im Auto zu schlafen«, und suchte nach einem Lichtschalter. Das Ergebnis war ein glimmender lila Schein.
    Quoyle nahm als erster eine Dusche. Aus einer kaputten Kachel spritzte verfärbtes Wasser, sickerte unter der Tür durch und in den Teppichboden hinein. Die Sprinkleranlage tropfte, solange der Kaltwasserhahn aufgedreht war. Seine Kleider rutschten vom Klosettdeckel und landeten in der Überschwemmung, denn die Haken an der Tür waren abgerissen. An einer Kette neben dem Klosett hing eine Bibel, deren lose Seiten kurz vor dem Herausfallen waren. Erst am nächsten Abend bemerkte er, daß er den ganzen Tag lang mit einer Seite aus Levitikus auf dem Rücken herumgelaufen war.
    In dem Zimmer war es heiß.
    »Schau auf den Thermostat«, sagte die Tante. »Kein Wunder. « An der Seite eingebeult, wie von einer Kriegskeule zerschmettert.
    Quoyle nahm den Telefonhörer ab, aber die Leitung war tot.
    »Wenigstens kriegen wir ein Abendessen«, sagte die Tante. »Es gibt einen Speisesaal. Ein anständiges Essen und eine Nacht gut durchschlafen, dann sind wir zu allem bereit.«
    Der Speisesaal voller Männer – wurde von roten Glühbirnen erhellt, so daß sie aussahen, als würden sie auf ihren Stühlen bei lebendigem Leib geröstet. Quoyle fand den Kaffee widerlich, aber an den anderen Tischen wurde er grinsend getrunken. Sie warteten eine Stunde lang auf ihr Essen, und Quoyle, der mit seinen aufsässigen Kindern, seiner gähnenden alten Tante und Tatarsauce auf beiden Knien dasaß, konnte kaum lächeln. Petal hätte den Tisch umgestoßen und wäre hinausstolziert. Und wieder war sie bei ihm, Petal, wie ein Ohrwurm, wie ein paar in der Kindheit auswendig gelernte, hartnäckige Gedichtzeilen. Die Nadel war hängengeblieben.
    »Danke«, murmelte Quoyle der Kellnerin zu, wischte seinen Teller mit einem Brötchen blank. Ließ einen Zwei-Dollar-Schein unter der Untertasse.
    In den Zimmern auf beiden Seiten von ihnen tobte es vor Streitereien, brüllenden Kindern. Schneepflüge erschütterten die Jesusbilder über den Betten. Durch die schlechtsitzenden Fensterrahmen heulte der Wind. Als Quoyle die Tür zuzog, blieb ihm wieder der Knauf in der Hand, und er hörte auf der anderen Seite der Tür ein Poltern, weil die andere Hälfte des Knaufs herunterfiel.
    »O Mann, das ist ja wie im Krieg«, sagte Bunny und beobachtete, wie die Wand aus Sperrholz zitterte. Die Tante meinte, da müsse jemand mit beiden Füßen dagegen treten. Schlug die Bettdecken zurück und deckte aus zerrissenen Laken zusammengenähte Bettlaken auf. Warren schlabberte Wasser aus der Kloschüssel.
    »Ist ein bißchen besser, als im Auto

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