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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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zurück auf die Tage der Segelschiffahrt, da zwei Schiffe, wenn sie einander begegneten, die Rahen back holten und einander Neuigkeiten zuriefen. Das Schiff im Luv brasste die Großrahen und das im Lee die Vorrahen, so daß sie nebeneinander kreuzten. Dazu sagte man gamming .
     
    Eine Frau in einem langen Regenmantel, ein Kind an der Hand, ging am Straßenrand entlang. Als Quoyles Kombi auf ihre Höhe kam, starrte sie das nasse Auto an. Den Fremden. Er hob seine Hand ein paar Zentimeter, aber sie hatte den Blick bereits gesenkt. Das flache Gesicht des Kindes. Rote Stiefel. Und vorbei war er.
    Die Straße nach Flour Sack Cove verlief von Killick-Claw steil bergauf über den Hügelkamm, fiel dann zu Häusern, ein paar aufs Ufer gezogenen Booten ab. Fischschuppen, Gestelle aus entrindeten Fichten aus den alten Tagen des Stockfischmachens. Er fuhr an einem weiß und rot gestrichenen Haus vorbei. Der Eingang genau in der Mitte. Eine Ansammlung von Docks und Lagerschuppen von Fischern. Bucklige Felsbrocken, von Schleiern aus Netzen umhüllt.
    Das Zeitungsbüro war nicht zu verfehlen. Über der Tür ein verwittertes Teakholzschild. THE GAMMY BIRD über dem Gemälde einer schnatternden Eiderente. Vor dem Gebäude parkten zwei Transporter, ein verrosteter, altmodischer Dodge und ein noch älterer, aber glänzender Toyota.
    Von drinnen ertönte Geschrei. Die Tür sprang nach innen auf. Ein Mann stürmte an ihm vorbei, stieg in den Toyota. Das Auspuffrohr erzitterte. Der Motor spuckte ein bißchen und verstummte dann, als wäre er verlegen. Der Mann schaute Quoyle an. Stieg aus dem Transporter und kam mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. Aknenarben entstellten seine Wangen. »Wie Sie sehen«, sagte er, »kommt man manchmal nicht weg. Ich bin Tert Card, der verfluchte sogenannte Chefredakteur, Textredakteur, Umschreiber, Techniker, Anzeigenkosmetiker, Zustellungs- und Vertriebschef, Schneeschaufler. Und Sie sind entweder ein Anzeigengroßkunde, der eine vierseitige Beilage zurückziehen will, auf der Sie die Vorzüge Ihres Warenhauses für linksfüßige japanische Stiefel anpreisen, oder Sie sind der atemlos erwartete Mr. Quoyle. Also was nun?« Die Stimme nörgelig vor Gejammer. Denn der Teufel hatte seit langem einen Narren an Tert Card gefressen und ihn bis zum Rand mit Zorn und Gereiztheit gefüllt. Seine Mittel-initiale lautete X. Ein Gesicht wie von einer Gabel durchfurchter Hüttenkäse.
    »Quoyle.«
    »Dann kommen Sie rein, Quoyle, und lernen Sie die Räuberbande kennen, der schlimmste von allen ist der verdammte Nutbeem mit seiner Würgehand. Der Meister, Mr. Jack Buggit, ist oben in seinem Haus und läßt sich Zauberformeln über seine knochige Brust sprechen, um die wundersame Ansammlung von Schleim zu vertreiben, an der er seit einer Woche herumhustet.« Hätte auf einer Bühne deklamieren können.
    »Das ist die sogenannte Redaktion«, höhnte Card. »Und dort sitzt Billy Pretty«, mit dem Finger deutend wie auf ein Wahrzeichen. »Er ist ein alter Seebär.« Billy Pretty war klein, bestimmt weit im siebten Lebensjahrzehnt. Saß an einem Tisch, die Wand hinter ihm mit Öltuch von der Farbe von Insektenflügeln bespannt. Sein Gesicht: Holz mit fächerförmig eingekerbten Linien. Blaue Augen in schrägen Augenhöhlen, schwere Lider. Seine Wangenpolster von einem dünnen, schiefen Lächeln nach oben geschoben, von der Nase zur Oberlippe eine schmale Rinne wie eine Narbe. Buschige Augenbrauen, kurzgestutztes Haar von der Farbe einer alten Taschenuhr.
    Sein Tisch schwankte, als er sich darauf stützte, war übersät mit Kirchenbasarutensilien. Quoyle sah Körbchen, Holzschmetterlinge, Babysöckchen aus Billignylon.
    »Billy Pretty macht die Seite ›Heim und Herd‹. Er hat Hunderte von Korrespondenten. Er bekommt Schätze mit der Post, wie Sie sehen. Ein ganzer Schwall von Leuten ist hinter ihm her und schickt ihm alle möglichen Sachen.«
    »Tja«, sagte Billy Pretty. »Weißt du noch, der Omaloor, der mir bemalte Lummeneier gebracht hat? Handbemalt mit Landschaften. Über Nacht aufgeplatzt, der ganze Tisch war voll. Hat ein Jahr danach noch gestunken.« Wischte sich die Finger an seinem Seemannspullover mit Rautenmuster ab, an den Ellbogen geflickt und mit weißen Noppen aus Leim und Papierschnitzeln übersät.
    »›Ein Omaloor‹? Wie in Omaloor Bay?« »Ganz genau. Ein Omaloor – ein dicker, begriffsstutziger, unbeholfener, geistloser, einfältiger Kerl. Auf der anderen Seite der Bucht hat’s früher Scharen davon

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