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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Horizont.
    Die alte Heimat der Quoyles, halb verfallen, abgelegen, die Wände und Türen abgerieben von den steinernen Leben toter Generationen. Die Tante spürte einen heißen Stich. Durch nichts würde sie sich ein zweites Mal vertreiben lassen.

6
    Zwischen Schiffen
    Jetzt mach sie fest, stau weg das Gier, Hau ab, Johnny, hau ab hier! Leg sie auf an der verdammten Pier, Für uns ist’s Zeit zu gehn!
     
    ALTES SHANTY
    Das Feuer war am Verlöschen. Schwarzweiß gesprenkelte Kohlen gaben ihre letzte Hitze ab. Bunny lag an Quoyle geschmiegt unter seiner gebauschten Jacke. Sunshine hockte auf der anderen Seite des Feuers und türmte Kieselsteine aufeinander. Quoyle hörte, wie sie ihnen zuraunte: »Nur rauf mit dir, mein Schatz, willst du Pfannkuchen?« Sie schaffte es nicht, mehr als vier aufeinanderzustapeln, ohne daß die Säule um-stürzte.
    Die Tante zählte an ihren Fingern Punkte ab, zog mit einem verkohlten Stecken auf dem Felsen Striche. Aber in dem Haus könnten sie nicht wohnen, meinte Quoyle, vielleicht noch lange nicht. Sie könnten in dem Haus wohnen, erwiderte die Tante, und die Worte schnappten nach etwas, aber es werde schwierig werden. Ja sogar wenn das Haus wie neu wäre, entgegnete Quoyle, könne er nicht jeden Tag auf dieser Straße hin und her fahren. Der erste Teil der Straße sei verflucht schlimm.
    »Beschaff dir ein Boot.« Die Tante, verträumt, als meinte sie einen Schoner für die Handelsschiffahrt. »Mit einem Boot brauchst du keine Straße.«
    »Und was ist bei stürmischem Wetter? Im Winter?« Quoyle hörte seine dämliche Stimme. Er wollte kein Boot, scheute den Gedanken ans Wasser. Schämte sich, daß er nicht schwimmen konnte, es nicht lernen konnte.
    »Selten ist der Sturm, in dem ein Neufundländer die Bucht nicht überqueren könnte«, meinte die Tante trocken. »Im Winter mit dem Motorschlitten.« Ihr Stecken kratzte über den Felsen.
    »Eine Straße wäre vielleicht trotzdem besser«, erwiderte Quoyle und stellte sich vor, daß Kaffee aus einem Zapfhahn in seine Tasse schoß.
    »Also gut, zugegeben, eine Zeitlang können wir in dem Haus nicht wohnen, vielleicht zwei oder drei Monate lang«, sagte die Tante. »Da können wir uns in Killick-Claw was zur Miete suchen, wo du in der Nähe deiner Zeitung bist, bis das Haus hergerichtet ist. Fahren .wir doch heute nachmittag rauf, nehmen uns zwei Motelzimmer und schauen, ob wir ein Haus zum Mieten finden, trommeln ein paar Zimmerleute zusammen, die hier mit der Arbeit anfangen. Für die Mädchen brauchen wir einen Babysitter oder einen Kindergarten. Ich hab’ meine eigene Arbeit, das weißt du. Muß mir eine Werkstatt suchen, mich einrichten. Der Wind wird stärker.« Die Kohlen sprühten Funken.
    »Was arbeitest du eigentlich, Tante? Es ist mir ja peinlich, aber ich weiß es nicht. Na ja, es ist mir nie eingefallen, dich danach zu fragen.« War in diese unglaubliche Reise gestolpert, ohne etwas zu wissen, atmete Kummer wie ein saures Gas. Hoffte auf baldigen Sauerstoff.
    »Verständlich unter den Umständen«, antwortete die Tante. »Ich bin Polsterer.« Sie zeigte ihre gelben schwieligen Finger. »Ich hab’ das Werkzeug und die Stoffe in Kisten packen und hierher schiffen lassen. Müßten nächste Woche ankommen. Weißt du, solange wir noch hier sind, sollten wir eine Liste der Arbeiten machen, die an dem Haus vorzunehmen sind. Es braucht ein neues Dach, der Kamin muß repariert werden. Hast du ein Stück Papier?« Sie wußte, er hatte eine ganze Schachtel voll.
    »Im Auto. Ich geh’ zurück und hol’ mein Notizbuch. Komm, Bunny, setz dich da hin. Du kannst mir den Platz warmhalten. «
    »Schau mal, ob du die Cracker auf dem Vordersitz findest. Bunny würde, glaube ich, munterer werden, wenn sie einen Cracker hätte.« Das Kind verzog mürrisch das Gesicht. Ist ja ’ne hübsche Grimasse, dachte die Tante. Spürte, wie der Wind heftig von der Bucht her wehte. Eine Wolkenbank am Rand des Meeres und die schwarzen und weißen Wellen wie rauher Tweed.
     
    »Schauen wir mal«, sagte die Tante. Sie hatte frisches Holz aufs Feuer geworfen, und die Flammen flackerten im böigen Wind auf. »Fensterglas, Isoliermaterial, Wände herausreißen, neue Wandbohlen, eine neue Tür, eine Doppeltür, Kamine reparieren, Ofenrohr, eine neue Wasserleitung von der Quelle her. Kann man diesen Kindern ein Außenklo zumuten?« Quoyle verabscheute den Gedanken, daß ihre kleinen Hintern auf einen Donnerbalken mit zwei Löchern klatschen sollten. Und für

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