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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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sein eigenes haariges Gesäß behagte ihm die Vorstellung auch nicht.
    »Der Fußboden oben muß repariert werden, der Küchenboden wirkt ziemlich stabil.« Am Ende meinte Quoyle, es könne billiger kommen, woanders ein neues Haus zu bauen, vielleicht an der Riviera. Sogar mit der Versicherung und den Ersparnissen der Tante würde es womöglich nicht reichen.
    »Ich denke, wir kommen hin. Aber du hast recht«, sagte sie. »Vermutlich müssen wir von dem geheimnisvollen Parkplatz bis zum Haus einen Fahrweg anlegen. Vielleicht tut die Provinzverwaltung was für die Straße. Am Ende müssen wir wahrscheinlich doch zahlen. Könnte teuer werden. Viel teurer als ein Boot.« Sie stand auf, legte sich ihren schwarzen Mantel um und knöpfte ihn bis zum Hals zu. »Es wird ganz schön kalt«, sagte sie. »Schau.« Streckte ihren Arm aus. Auf dem dicken Wollstoff landeten Schneeflocken. »Machen wir uns lieber auf die Socken«, sagte sie. »Das hier ist nicht der beste Ort für einen Schneesturm. Das weiß ich nur zu gut.«
    »Im Mai?« fragte Quoyle. »Also, mach mal ’nen Punkt, Tante.«
    »In jedem Monat des Jahres, mein Junge. Das Wetter hier übersteigt jede Vorstellungskraft.«
    Quoyle blickte aufs Meer hinaus. Die Bucht verblaßte, als schaute er durch ein Stück Wachspapier. Brennende Schneeflocken in seinem Gesicht. »Ich kann’s nicht fassen«, sagte er. Doch genau das hatte er gewollt. Sturm und Gefahr. Schwierige Aufgaben. Erschöpfung.
    Auf dem Weg zurück beutelte der Wind das Auto. Vom bewölkten Himmel sickerte Finsternis herab, Schneekörner prasselten gegen die Windschutzscheibe. Die Hauptstraße war bereits von einem Schneefilm überzogen. Er fuhr wieder vor Ig’s Store vor.
    »Ich hol’ mir einen Kaffee«, sagte er zur Tante. »Willst du auch einen?«
     
    »Weiter drin ist ein großes Gebäude und ein Parkplatz.«
    »Jawoll. War ’ne Handschuhfabrik. Hat vor Jahren dichtgemacht. « Der Mann schob ihm zwei Pappbecher mit zusammengefalteten Henkeln hin.
    Kreischender Wind. Der bittere Kaffee zitterte.
    »Ein Wetter«, sagte der Mann zu Quoyle, der mit seinen beschlagenen Bechern durch die Tür balancierte.
    Er duckte sich vor der Luft. Klaffender Himmel, ein verrückter Ausbruch. Das Schild über der Zapfsäule, ein handgemalter Kreis auf Walzblech, riß sich los, schlitterte über den Laden. Der Mann kam heraus, die Tür sprang ihm aus der Hand, wurde weggerissen. Wind schleuderte Quoyle gegen die Zapfsäulen. Das erschrockene Gesicht der Tante hinter dem Autofenster. Dann stürmten die Böen aus dem Osten heran, feuerten den Blizzard auf sie ab.
    Quoyle stemmte die Tür auf. Er hatte den Kaffee fallenlassen. »Schau dir das an. Schau dir das genau an!« schrie er. »Durch den Sturm können wir nicht dreißig Kilometer nach Killick-Claw fahren.«
    »Haben wir auf dem Weg hierher nicht ein Motel gesehen?«
    »Ja, haben wir. Und zwar in Bloody Banks.« Er fuhr über die Karte, die Hand mit schmelzendem Schnee bedeckt. »Siehst du’s? Es liegt fünfundfünfzig Kilometer hinter uns.« Das Auto wackelte,
    »Helfen wir dem Kameraden mit seiner Tür«, sagte die Tante. »Den fragen wir. Der wird das wissen.«
    Quoyle holte den Hammer unter dem Sitz vor, und sie duckten sich unter dem Wind. Hielten die Tür fest, während der Mann Nägel einklopfte.
    Er sah sie kaum an. Hat anderes im Kopf, dachte Quoyle, zum Beispiel ob das Dach abhebt oder nicht. Doch er brüllte Antworten. Tickle Motel. Zehn Kilometer weiter östlich. Zum drittenmal in dem Jahr sei die Tür abgerissen. Das Schild zum erstenmal. Habe den ganzen Morgen Schnee gespürt, schrie er, als sie auf die Hauptstraße hinausfuhren. Winkte sie in verwehten Schnee hinein.
    Rutschige Straße; Sicht über die Kühlerverzierung hinaus gleich Null. Alles aufgelöst in wirbelnde Teilchen. Die Tachometernadel stand bei zwanzig, und trotzdem schlitterten und scherten sie aus. Die Tante lehnte sich bald hierhin, bald dorthin, die Hand mit weitgespreizten Fingern am Armaturenbrett, als hielte sie dadurch das Auto im Gleichgewicht.
    »Dad, haben wir Angst?« fragte Sunshine.
    »Nein, Schnecke. Es ist ein Abenteuer.« Wollte nicht, daß sie als Angsthasen aufwuchsen. Die Tante schnaubte. Er blickte in den Rückspiegel. Warrens gelbe Augen kreuzten seine. Quoyle zwinkerte der Hündin zu. Um sie aufzuheitern.
     
    Das Neonschild des Motels, TICKLE MOTEL – BAR & RESTAURANT, flackerte, als er auf den Parkplatz bog, sich an Lkw und Pkw vorbeifädelte, an

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