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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Schutz für das Haus.
     
    Eine Stunde später draußen: Quoyle an seinem Feuer, die Tante beim Ausräumen der Essensbox; Eier, eine zerknautschte Packung Brot, Butter, Marmelade. Sunshine drängte sich an die Tante, ihre Hände folgten ihr, griffen nach Packungen. Das Kind wickelte die Butter aus, die Tante verstrich sie mit einem Stück abgebrochenem Holz als Messer, verrührte die wackeln-den Eier in der Pfanne. Den Brotkanten für den alten Hund. Am Ufer Bunny, die gesprenkelte Steine warf. Wenn einer auf-traf, schlossen sich Schaumlippen über ihm.
    Sie setzten sich ans Feuer. Der beißende Rauch wie eine Opfergabe auf einem Steinaltar, dachte die Tante und beobachtete, wie der Qualm mit dem Himmel verschmolz. Bunny und Sunshine lehnten sich an Quoyle. Bunny aß ein Stück Brot, das zusammengerollt war, so daß die Konfitüre an einem Ende hing, und beobachtete, wie der Rauch sich kräuselte.
    »Dad. Warum schlängelt der Rauch sich?«
    Quoyle riß Brotkringel ab, legte ein bißchen Ei darauf und sagte: »Da kommt ein kleines gelbes Küken zur Höhle des Riesen. «
    Und er ließ die Bröckchen durch die Luft und in Sunshines Mund segeln. Schon waren die Kinder wieder auf und davon, sprangen ums Haus herum, über die verrosteten Trossen, die es am Felsen festhielten.
    »Dad«, keuchte Bunny und schlug zwei Steine aufeinander. »Will denn Petal nicht mehr bei uns wohnen?«
    Quoyle war verblüfft. Er hatte erklärt, daß Petal fort war, daß sie schlief und nie wieder aufwachen würde, hatte seinen Kummer hinuntergeschluckt und laut aus einem Buch vorgelesen, das ihm der Bestattungsunternehmer gegeben hatte: Handreichungen, um Kinder über das Verscheiden eines geliebten Angehörigen zu trösten.
    »Nein, Bunny. Sie hat sich schlafen gelegt. Sie ist im Himmel. Weißt du nicht mehr, daß ich dir das gesagt habe?« Er hatte sie nämlich vor der Bestattung bewahrt, hatte das Wort nie benutzt. Tot.
    »Und sie kann nicht wieder aufstehen?« »Nein, sie schläft jetzt für immer und kann nie wieder aufstehen. «
    »Du hast geweint, Daddy. Du hast deinen Kopf an den Kühlschrank gelehnt und geweint.«
    »Ja«, erwiderte Quoyle. »Aber ich hab’ nicht geweint. Ich hab’ gedacht, daß sie zurückkommt. Dann läßt sie mich ihre blauen Perlen tragen.«
    »Nein. Sie kann nicht zurückkommen.« Und Quoyle hatte die blauen Perlen an eine wohltätige Einrichtung verschenkt, all die Ketten und Perlen, armvollweise edelsteinfarbene Kleidungsstücke, die alberne, mit Straß bestickte Samtmütze, das gelbe Trikot, den falschen Rotfuchsmantel, sogar die halb leeren Flakons »Trésor«.
    »Wenn ich schlafen würde, würde ich aufwachen«, sagte Bunny und ging von ihm weg und um das Haus herum.
     
    Sie war allein dort hinten, am Fuß des Felsens drängten sich die verkrüppelten Bäume. Ein Geruch nach Harz und Salz. Hinter dem Haus ein Felsvorsprung. Ein Süßwasserbach ergoß sich in ein Loch. Die Farbe des Hauses auf dieser, der Sonne abgewandten Seite war wieder dieses böse Grün. Sie schaute empor, und die Wände quollen nach außen, als würden sie einstürzen. Wandte sich wieder ab, und das Gestrüpp bewegte sie wie Beine unter einer Decke. Dort stand ein sonderbarer Hund, weiß, irgendwie mißgestaltet, mit verfilztem Fell. Die Augen glitzerten wie nasse Beeren. Er stand da, starrte sie an. Das schwarze Maul klaffte, die Zähne schienen dicht mit steifen Haaren überzogen. Dann war er verschwunden wie Rauch.
    Sie kreischte, stand kreischend da, und als Quoyle zu ihr rannte, kletterte sie an ihm hoch, brüllte, er solle sie retten. Und obwohl er später eine halbe Stunde lang mit einem Stecken das Gestrüpp durchkämmte, sah er keinen Hund, keine Spur. Die Tante sagte, daß in alten Zeiten, als der Postbote mit einem Gespann gefahren kam und die Männer Feuerholz mit Hunden zogen, jeder solche Bestien hielt. Vielleicht, meinte sie zweifelnd, sei aus diesen Hunden ein wilder Stamm entstanden. Warren schnüffelte ohne Begeisterung, weigerte sich, Witterung aufzunehmen.
    »Also, dann lauft jetzt nicht allein durch die Gegend. Bleibt bei uns.« Die Tante verzog Quoyle gegenüber das Gesicht, was bedeuten sollte – ja was? Daß das Kind eine Nervensäge war.
    Sie blickte auf die Bucht hinunter, suchte die Küstenlinie ab, die Fjorde, dreihundert Meter hohe Klippen über milchigem Wasser. Dort flogen noch immer die gleichen Vögel auf wie Signalflaggen, zerrissen die Luft mit ihren messerscharfen Schreien. Sich verdüsternder

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