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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Kapitän sah, daß sie noch fahrtüchtig war, machte er kehrt und ging wieder an Bord, und am nächsten Tag ließen sie einen Bergungsschlepper kommen, der sie schließlich in den Hafen brachte.«
    »Und Dennis?«
    Doch das Telefon klingelte, und der alte Mann schlurfte in den Kartenraum, seine Stimme dröhnte in eine andere Leitung. Kam an die Tür.
    »Also, ich muß es kurz machen. Sie haben ’nen russischen Seitentrawler innerhalb der Zweihundert-Meilen-Zone geschnappt, wie er ohne Genehmigung fischte und dabei ein Netz mit zu engen Maschen benutzte. Ist das zweite Mal, daß sie den Kapitän und das Schiff erwischen. Die Küstenwache eskortiert ihn her. Ich hab’ ein bißchen Papierkram zu erledigen. Kommen Sie nächste Woche, und wir trinken ’nen Schluck Tee zusammen.«
     
    Quoyle ging den Kai entlang, reckte den Hals, um noch einmal einen Blick auf die Polar Grinder zu werfen, aber sie war im Regen verschwunden. Ein Mann in Pijacke und Plastiksandalen betrachtete die Gummistiefel im Schaufenster von Cuddys Seefahrtzubehör. Naß, rote Zehen. Sagte etwas, als Quoyle vorbeiging. Der Getränkeladen, der Laden für Schiffs-bedarf. Ein Longliner tuckerte auf die Fischfabrik zu; an der Reling lehnte eine Gestalt in gelbem Ölzeug und starrte in das gekräuselte motorölfarbene Wasser.
    Am Ende des Kais Transportsteigen, Müllgeruch. Neben den Steigen stand ein kleines Boot aufgebockt, daneben ein Pappschild mit der Kreideaufschrift: Zu verkaufen. Quoyle besah sich das Boot. Regen rann über den nach oben gekehrten Kiel, platschte auf die Steine.
    »Für einen Hunderter gehört’s Ihnen.« Ein Mann lehnte in der Tür, die Hände tief in den Taschen. »Mein Junge hat’s gebaut, aber der is’ jetzt fort. Hat fünfhundert Dollar im Lotto gewonnen. Hat sich aufs Festland abgesetzt. Wo die Leute unter Schlangen leb’n.« Er lachte höhnisch. »Will sein Glück machen, der Blödmann.«
    »Tja, ich hab’s mir bloß mal angesehen.« Aber hundert Dollar schienen für ein Boot nicht viel zu sein. Es sah intakt aus. Stabil genug. Weiß und grau gestrichen. Praktisch neu. Da mußte etwas faul sein. Quoyle klopfte mit den Knöcheln gegen das Holz. »Ich sag’ Ihnen was«, meinte der Mann. »Geben Sie mir fuffzig, und es gehört Ihnen.«
    »Leckt es?«
    »Nee! Leckt nich’. Is’ gesund wie ein Walroß. Is’ nur so, daß mein Junge es gebaut hat, jetzt aber fort is’. Was ’n Glück, daß ich ihn los hab’. Ich will das Ding nich’ mehr sehn. Ich wollt’s schon verbrennen«, sagte er listig, Quoyle abschätzend. »Damit mir der Anblick kein’n Kummer macht. Erinnert mich an mein’n Jungen.«
    »Nein, nein, verbrennen Sie’s nicht«, erwiderte Quoyle. »Bei fünfzig Möpsen kann ich ja wohl nichts falsch machen!« Er fand einen Fünfzig-Dollar-Schein und bekam auf eine Umschlagrückseite eine Quittung gekritzelt. Die Jacke des Mannes, sah er, war aus einem noppigen Stoff, zerschlissen, bis unten hin fleckig.
    »Haben Sie ’nen Anhänger?« Der Mann deutete auf das Boot und machte Kreise in der Luft, um eine Rollbewegung zu verdeutlichen.
    »Nein. Wie kriege ich’s ohne einen nach Hause?«
    »Sie könn’n unten bei Cuddy ein’n mieten, wenn’s Ihnen nichts ausmacht, seine verdammten Preise zu zahlen. Oder wir binden’s hinten auf die Ladefläche von Ihrem Transporter. «
    »Ich hab’ keinen Transporter«, sagte Quoyle. »Ich hab’ einen Kombi.« Nie hatte er das Richtige.
    »Na, das is’ fast genauso gut, solang sie nicht zu schnell fahren. Es wird überstehen, wissen Sie, vorne und hinten ’n bißchen.«
    »Was für eine Art Boot ist das überhaupt?«
    »Ach, einfach ’n Schnellboot. Bringen Sie ’nen Motor an, und schon haben Sie ’nen Mordsspaß, wenn Sie die Küste langschießen!« Der Mann wirkte jetzt lebendig und begeistert. »Sobald dieses trübe Wetter abzieht.«
    Am Ende mietete Quoyle einen Anhänger, und er und der Mann und ein halbes Dutzend andere, die lachend herbei-gespritzt kamen und dem Mann auf eine Weise auf die Schulter klopften, die Quoyle entging, schoben das Boot auf den Anhänger. Er eilte zum Gammy Bird zurück. Zum Teufel, fünfzig Dollar reichten kaum für ein Abendessen für vier. Der Regen überschwemmte stellenweise die Straße. Das Boot wackelte.
    Sah sie. Die hochgewachsene Frau in dem grünen Regenmantel. Ging wie gewöhnlich am Straßenrand entlang, die Kapuze zurückgeschoben. Ein ruhiges, fast hübsches Gesicht, rötliche Haare, altmodisch in Flechten um den Kopf

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