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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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hören sich aber nicht so an.«
    »Meine Leute kamen aus Quoyle’s Point, aber ich bin in den Staaten aufgewachsen. Ich bin ein Außenseiter. Mehr oder weniger.« Quoyles Hand kroch über sein Kinn hoch.
    Der Hafenmeister betrachtete ihn. Kniff die Augen zusammen.
    »Ja«, sagte Diddy Shovel. »Da haben Sie ja ’ne richtige Geschichte, mein Junge. Wie kams ’denn, daß Sie so weit weg von zu Hause aufgewachsen sind? Daß Sie zurückkehren?«
    Selbst jetzt brachte er noch Dinge fertig, bei denen die Leute nur so glotzten.
    Klappernd stellte Quoyle die Teetasse auf die Untertasse. »Ich war ... Ach, es ist kompliziert.« Und seine Stimme brach ab. Er hackte mit seinem Kuli auf den Notizblock. Thema-wechsel.
    »Das Schiff da«, deutete er. »Was ist das für eins?«
    Der Hafenmeister suchte unter dem Stuhl nach einem Fernglas und schaute auf die Bucht hinaus.
    »Die Polar Grinder ? Ah ja. Die ist auf Herz und Nieren geprüft. Legt regelmäßig hier an, um Fisch und Seeigelrogen für den japanischen Feinschmeckermarkt zu laden. Ein Kühlschiff, so um 1970/71 in Kopenhagen für Northern Delicacies gebaut. Haben Sie schon mal gesehen, wie sie in der Fischfabrik den Seeigelrogen herrichten?«
    »Nein.« Quoyle dachte an die grünen Nadelkissen in Tidenpfützen.
    »Herrlich! Herrlich. Stellen Sie sich Holztabletts vor. Die Japsen halten sie für den Leckerbissen überhaupt, zahlen hundert Dollar für ein Tablett voll. Sie ordnen sie in Phantasie-mustern an wie bei einem Quilt. Umi. Umi sagen sie dazu. Essen sie roh. Die kriegen Sie in Sushi-Bars in Montreal. Ich hab’ sie bestellt. Ich hab’ alles probiert. Büffel. Mit Schokolade überzogene Ameisen. Und rohen Seeigelrogen. Ich hab’ nämlich ’nen Magen aus Stahl.«
    Quoyle schlurfte, ein wenig angewidert, seinen Tee.
    »Hier, werfen Sie einen Blick darauf. Sie hat den knolligen Vorsteven, der gerade in Mode kam, als sie gebaut wurde. Es gibt ein Zwillingsschiff, die Arctic Incisor . Kühlschiff, vier Laderäume, isolierte Abteile. Karten- und Ruderhaus mittschiffs, sämtliche neuesten elektronischen Navigationsinstrumente. Für ihre Zeit hochautomatisiert. Seit ihrem Malheur bei dem Sturm ist sie mit neuem Steuergerät bestückt worden, elektronischen Temperaturmeßgeräten, die man von der Brücke aus ablesen kann, und allem, was dazugehört. Als sie gebaut wurde, müssen Sie wissen, waren skandinavische Möbel in Mode – dort ist das ganze Teakholz gelandet. Erinnern Sie sich noch an das Lied ›Norwegian Wood‹?«
    Sang mit röhrendem Baß ein paar Zeilen.
    »Diese Polar Grinder ist mit geölten Teakmöbeln ausgestattet. Statt einem Schwimmbad gibt’s eine Sauna. Ist in den Gewässern hier ja auch viel nützlicher, was? Wandbilder von Skirennen, Rentieren, Nordlichtern und so weiter. Sie haben von ihr gehört, nehme ich an.«
    »Nein. Ist sie denn aus einem bestimmten Grund bekannt?«
    »Na, sie hat doch einen Keil zwischen Vater und Sohn getrieben, zwischen Jack und seinen jüngsten Sohn Dennis.«
    »Dennis«, sagte Quoyle. »Dennis macht ein paar Arbeiten für uns an unserem alten Haus. Auf Quoyle’s Point.«
    »In dem Haus war ich vielleicht mal«, sagte Diddy Shovel in neutralem Tonfall, »als ich noch ein Junge war. Vor langer, langer, langer Zeit. Also Dennis ist ein guter Zimmermann. Ein besserer Zimmermann als Fischer. Und das war für Jack eine Erleichterung – bei all dem, was den Buggits auf See schon zugestoßen ist. Jack hat eine Todesangst vor ihr, obwohl er soviel Zeit wie möglich auf dem Wasser zubringt. Er wollte nicht, daß seine Söhne Fischer werden. Und natürlich waren sie beide ganz wild darauf. Jack hat ihnen gesagt, daß es ein beinhartes Leben ist, bei dem am Ende nichts herauskommt als eine ruinierte Gesundheit und Armut. Und eine verflucht gute Chance, ganz allein in der eiskalten Brühe zu ertrinken. Und so war es ja mit Jesson, seinem Ältesten. Blieb draußen auf den Baggy-Bänken im Eis stecken, mit einer vollen Ladung Fisch, und kenterte, als das Wetter einbrach. Mäßige Sturmböen waren vorhergesagt, aber mit einemmal kam ein heftiger Sturm auf. Schrecklicher Eisreif hier an der Küste – je schöner, desto gefährlicher. Noch Tee?«
    Er schenkte Quoyle eine Tasse schwarzen Gebräus ein. Dessen Zunge schon so rauh war wie die einer Katze.
    »Also! Dennis geht bei einem bekannten Zimmermann in St. John’s in die Lehre, Brian Corkery, so hieß der, wenn ich mich recht entsinne, lernt die Zunft von der Pike auf. Und was

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