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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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her fahren und das Bauzubehör mit dem Boot rüberschaffen kann. Es gibt da jemanden, sagt er – den Namen hab’ ich vergessen -, der früher die ganze Küste rauf und runter Piers gebaut hat. Er hat sich zur Ruhe gesetzt, könnte aber einen kleinen Auftrag wie den annehmen und ihn in ein paar Tagen ausführen, wenn er ein paar Leute für die schwere Arbeit hätte. Das wäre viel schneller, sagt Dennis, als den ganzen Weg außenrum zu fahren.«
    Quoyle nickte, aber seine Miene war teilnahmslos. Die Tante seufzte, dachte, wenn sie ihr altes Fleisch bis hin zu den jungen Knochen abschaben könnte, würde sie es selber machen. Sie hätte eine neue Aufgabe in Angriff nehmen können, mit einem Boot umgehen, das Haus herrichten, über den Verlust eines treulosen Partners wegkommen. Sie zückte den Block mit Skizzen und Zahlen, lange Spalten mit Berechnungen, breitete sie auf dem Tisch aus. Stummelfinger, die Nägel schnurgerade abgeschnitten.
    »Wenn ich doch nur meinen Taschenrechner finden würde«, sagte sie. »Dennis zählt alles zusammen, muß es dreimal nach-rechnen, vertut sich ständig. Ich kann, scheint’s, gar nicht mehr addieren. Es heißt, wenn man zehnmal am Tag Summen addiert, verkalkt man nicht. Aber das würde heißen, daß alle Bankiers Genies sind, also stimmt es nicht. Die größten Dummköpfe der Welt.« Quoyle drehte seinen Stuhl um, heuchelte Interesse. MANN MÄSSIG SCHARF AUF HEIM SEINER VORFAHREN DRAUSSEN AUF LANDZUNGE.
    »Das größte Problem ist, die Isolierung anzubringen. Wenn wir in dem Haus wohnen, können wir schlecht den ganzen alten Gips und die Latten rausreißen. Dauert ewig, außerdem erstickt man da. Also hatte er diese andere Idee. Er hat vor, in jedem Zimmer unmittelbar an die vorhandenen Wände ein neues Lattengerüst zu machen, dann die Isolierung anzubringen und Wandbretter darüber zu nageln. Das wär’ wie ein doppeltes Haus. Vor allem weil ich dieses Vinylzeug an den Außenwänden nicht will. ›Ach‹, sagt er, ›diese Vinyldämmung macht das Haus warm, braucht nie gestrichen zu werden, und man kann sie rechtzeitig kaufen.‹ Ich hab’ gesagt, daß ich sie nicht mal auf meinem Sarg möchte.«
    Mit zwei Schlucken trank sie ihren Whiskey; der eine Eis-würfel klirrte. Quoyle überraschte es, daß sie sich noch einen eingoß. Der Verlust der alten Hündin.
    »Was hast du mit Warren vor?« »Es hat keinen Sinn, sie hier begraben zu wollen«, sagte sie. »Ist alles Felsgestein. Ich möchte sie aufs Meer rausfahren, zu einer Seebestattung. Eine kurze Predigt, weißt du, ein paar Worte. Ich hab’ gedacht, ich kann vielleicht die Küste rauffahren und ’ne passende Stelle finden. Sie den Wogen über-antworten. Arme Warren. Sie hatte keine Chance, hier glücklich zu sein. Hatte nie Gelegenheit, einen echten Auslauf zu genießen, einen guten Spaziergang die Küste entlang. Hunde mögen das.«
    »Ich habe heute ein Boot gekauft, Tante. Schade, daß ich nicht auch einen Motor bekommen habe. Da hätten wir Warren aufs Meer rausfahren können. Wenn ich wüßte, wie man damit umgeht.«
    »Das hast du nicht!«
    »Und ob. Aber Jack Buggit sagt, es ist keinen Pfifferling wert. Viel mehr habe ich auch nicht dafür bezahlt. Der Kerl hat’s mir praktisch umsonst überlassen. Fünfzig Dollar. Also, Tante, sogar wenn’s nicht so gut ist, dann war’s billig. Ich habe einen Anhänger gemietet. Jetzt muß ich einen Motor besorgen. Ich kann mit dem Boot üben.«
    Die Tante spähte auf den Parkplatz hinaus. »Kann’s von hier aus nicht sehen«, sagte sie. »Aber es war richtig. Vielleicht könntest du ein paarmal mit Dennis rausfahren, um zu sehen, wie er es macht und so.«
    »Ich hab’ heute eine Geschichte über Dennis gehört. Wenigstens einen Teil davon.«
    Es klopfte an die Tür, ein Klopfen mit einem merkwürdigen Rhythmus. Wieder der flatternde Takt wie bei einem Trommler, der auf ein gespanntes Fell schlägt. Wo hatte er das schon einmal gehört? Nutbeem.
    »Hallo, hallo«, sagte Nutbeem, und seine langen Beine scherten auf und zu, als er durch das Zimmer kam, der Tante die Hand schüttelte, ihr eine Flasche braunen Wein reichte. Vin de France Réserve de Terre Neuve. Schüttelte Quoyle die Hand, schaute sich lächelnd um, als würde er unbekannte Sehenswürdigkeiten bewundern. Er setzte sich in den Stuhl neben Warren, die Knie halb bis zu den Schultern hochgezogen. Warf einen Blick auf das Leichentuch.
    »Hab’ gedacht, ich schau’ mal vorbei«, sagte er. »Und erzähle Ihnen mehr

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