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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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tut er dann? Seine erste Stelle, wohlgemerkt. Er heuert auf der Polar Grinder als Schiffszimmermann an! Sie war zwischen unseren Küstenprovinzen und Europa hin und her gefahren, zweimal nach Japan, die Küste lang nach New York runter. Dennis ist genauso wild auf Boote und aufs Meer, wie Jack es ist und Jesson es war. Am allerliebsten wäre er Fischer. Aber Jack will davon nichts hören.
    Also, wie Jack sich aufführte. Erschütternd. Dachte, wenn Dennis Zimmermann wird, dann bleibt er sicher an Land. Er hatte Angst, verstehen Sie, Angst um ihn. Und vor was wir Angst haben, dagegen wüten wir oft. Verstehen Sie, er weiß, daß die See einen Pick auf alle Buggits hat.
    Wie es sich gehörte, bekamen wir einen unserer Winter-stürme. Und wie es das Pech wollte, erwischte er die Polar Grinder draußen. Etwa zweihundert Seemeilen südöstlich von St. John’s. Februarsturm, unbändig wie nur was. Kalt, über zehn Meter hohe Brecher, Wind in Hurrikanstärke, der mit fünfzig Knoten tobt. Waren Sie schon mal bei Sturm auf See, Mr. Quoyle?«
    »Nein«, erwiderte Quoyle. »Möcht’ ich auch nicht.«
    »Das läßt Sie nie wieder los. Danach hören Sie den Wind nie mehr, ohne daß Sie sich an dieses Undinenstöhnen erinnern, an die Wassergebirge, schaumzerrissene Hügelkämme, das Ächzen des armen Schiffes. Das ist zu jeder Jahreszeit schlimm, aber es war mitten im Winter und die Kälte fürchterlich, das Eis bildete sich an Reling und Takelage, bis die Schiffe Tausende Pfund Eis trugen. Der Schnee brauste so heftig, daß vor den Fenstern hier nur noch ein weißes Tosen zu sehen war. Die Straße unten war nicht mehr zu erkennen. Die Nordwestecken der Häuser waren dreißig Zentimeter dick mit stahlhartem Schnee zugekleistert.«
    In Quoyles Händen kühlte die Teetasse ab. Er lauschte. Der alte Mann hatte die Schultern hochgezogen, die Worte zischten ihm durch die Zähne. Aus seinem schwarzen Mund sprudelte die Vergangenheit heraus.
    »Die Schiffe versuchten einen sicheren Hafen anzusteuern, Notsignale auf dem ganzen Nordatlantik von der Küste hier bis nach Europa. Ein Chemikalientransporter verlor seine Brücke, und der Kapitän ging mit über Bord. Ein Frachtschiff mit Eisenerz ging unter und die Mannschaft mit ihm. Ein bulgarischer Hecktrawler brach in der Mitte auseinander, die ganze Besatzung verloren. Schiffe im Hafen rissen sich vom
    Anker los und rammten ineinander. Ein schlimmer Sturm. Es gab keinen sicheren Ort. Die Polar Grinder bekam ganz schön was ab. Das Meer war zu garstig zum Anschauen. Der Kapitän drosselte die Geschwindigkeit so weit, daß er das Schiff gerade noch steuern und am Wind halten konnte, in der Hoffnung, die Sache durchzustehen. Ach, lassen Sie es sich doch gelegentlich mal von Dennis erzählen. Da stockt Ihnen das Blut, wenn Sie hören, was das Schiff alles abkriegte. Es hat die Fenster vom Ruderhaus zertrümmert. Riesige Brecher. Das einzige, an was alle die ganze Nacht lang denken konnten: Würde sie bis zum Morgen durchhalten? Sie haben die schreckliche Nacht überstanden. Der einzige Unterschied, den das Tageslicht ausmachte, bestand darin, daß sie sehen konnten, wie die Wellenungeheuer auf sie einstürzten, daß sie die Wut der tosenden See sehen konnten.
    Kurz nach Tagesanbruch kam eine See, eine große, aufragende Wand, die den halben Atlantik zu umfassen schien, dann ein entsetzlicher Knall. Dennis erzählte, er hätte geglaubt, das Schiff wäre auf einen Eisberg gedonnert oder an Bord wäre etwas explodiert. Erzählte, daß er danach eine Zeitlang taub war. Aber es war die See, die sie erwischte. Unter dem Gewicht der Welle hatte der Stahlrumpf der Polar Grinder mittschiffs einen Riß bekommen, einen gut zwei Zentimeter breiten Riß von Steuerbord bis Backbord.
    Da hatten sie es also, rannten hin und her, mixten Beton und versuchten den Riß damit zu stopfen, Stützbalken, alles war recht, um das Wasser aufzuhalten, es strömte herein, füllte den Laderaum. Sie wateten bis zur Hüfte im Wasser.«
    Schlürfte einen Schluck Tee.
    »Der schwere Seegang und die Tonnen Wasser, die herein-strömten, drückten das Schiff nieder. Es sah so aus, als würde es sinken, und der Kapitän gab das ›Alle Mann von Bord!‹ aus. Stellen Sie sich nur diese winzigen Rettungsboote bei dem Seegang vor! Sie verloren siebenundzwanzig Mann. Und am Ende passierten zwei merkwürdige Dinge. Erstens ging die Polar Grinder – wie Sie sehen können – nicht unter. Schlingerte auf der Seite dahin. Als der

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