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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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prasselte gegen die Fensterscheiben, trommelte auf das Dach. Der Wind bockte und bäumte sich. Es war gemütlich, sich mit dem Ellbogen auf den Schreibtisch zu stützen und eine Unfallgeschichte aus Los Angeles umzuschreiben, die Nutbeem aus dem Radio hatte. Ein älterer Mann, der von Kneipenrowdys nackt ausgezogen, mit einer Augenbinde versehen und in den Autobahnverkehr gestoßen worden war. Der Mann war gerade aus dem Krankenhaus gekommen, wo er eine Verwandte besucht hatte, war auf ein Glas Bier in eine Kneipe nebenan gegangen, als ihn fünf Männer mit blau angemalten Köpfen packten. Tert Card sagte, das sei ein Beweis für die geisteskranke Lebensart in den Staaten. Ein Lieblingsthema der Leser des Gammy Bird, die Verrücktheit derjenigen, die weit fort waren. Quoyle rief zurück.
    »Mr. Shovel, was ich gerade mache, lasse ich ungern liegen.«
    »Ich sag’ Ihnen, es ist das Boot von Hitler. Eine für Hitler gebaute Vergnügungsjacht. Eine holländische Jacht. So was haben Sie noch nicht gesehen. Der Eigner ist an Bord. Die Leute sagen, daß die Zeitung sie sich gern ansehen kann.«
    »Mein Gott. Bin in einer halben Stunde da.«
    Billy Pretty starrte Quoyle an. »Und, was hat er?« flüsterte er.
    »Er sagt, unten am öffentlichen Pier wär’ ein holländisches Boot, das Hitler gehört hat.«
    »Nein!« rief Billy. »Das möcht’ ich sehen. Damals, Junge, da sind uns die Deutschen die Küste hier rauf und runter gekrochen, haben Schiffe torpediert, jawohl, mitten in der Meerenge hier. Die Alliierten hatten ’n Unterseeboot, brachten ein deutsches U-Boot auf. Brachten es runter nach St. John’s.
    Wir hatten Spione hier. Oh, ein paar ganz schlaue! Die eine Frau, ich seh’ sie noch vor mir in ihrem alten braungelben Mantel, fuhr mit ihrem quietschenden, alten Rad einmal die Woche von Rough Shop Harbor nach Killick-Claw, dann wieder runter zur Fähre. Ich weiß nicht mehr, was sie für eine Geschichte erzählt hat, warum sie soviel mit dem Rad fahren mußte, aber sie kriegten raus, daß sie ’ne deutsche Spionin war, überall die Boote zählte und die Informationen an deutsche U-Boote rausfunkte, die vor der Küste lauerten.«
    »Dann nehmen Sie Ihren Regenmantel und kommen Sie mit.«
    »Es hieß immer, sie ist erschossen worden. Kam eines Tages einfach nich’ mehr. Es hieß, sie wurde unten in Rough Shop Harbor erwischt und hingerichtet. Hieß, sie sprang mit dem Rad über die Schleichwege, kreischte wie verrückt, die Männer hinter ihr her, rannten wie die Wilden, ehe sie sie einholten. «
    Quoyle machte ein Schmatzgeräusch mit dem Mundwinkel. Er glaubte kein Wort.
     
    Der Kombi hatte ein Loch im Boden, und durch das spritzten gelegentlich Geysire aus schmutzigem Regenwasser. Neidisch dachte Quoyle an den Pickup der Tante. Er konnte sich keinen neuen Wagen leisten. Erschreckend, wie schnell das Geld von der Versicherung zerrann. Er wußte nicht, wo die Tante ihres herbekam. Sie hatte sämtliche Reparaturen am Haus bezahlt, ihren Anteil für Lebensmittel beigetragen. Er hatte die Straße bezahlt, den neuen Steg. Die Betten der Mädchen, Kleidung, die Motelrechnung, Benzin für den Kombi. Und das neue Getriebe.
    »Hätt’ ich bloß meine Lederstiefel angezogen«, rief Billy Pretty. »Hatte keine Ahnung, daß von Ihrem Wagen die Hälfte fehlt.«
    Quoyle ging vom Gas, um die anmutige, aufrecht gehende Frau in dem grünen Regenmantel nicht naßzuspritzen. Mein Gott, regnete es denn jeden Tag? Das Kind war bei ihr. Ihre Augen waren direkt auf Quoyle gerichtet. Seine auf ihre.
    »Wer ist das? Anscheinend sehe ich sie jedesmal die Straße entlanggehen, wenn ich hier herauskomme.«
    »Das ist Wavey. Wavey Prowse. Sie hat ihren Jungen vom Sonderschulunterricht abgeholt. Da geht ’n ganzer Haufen hin. Sie hat damit angefangen, mit der Sonderschule. Er is’ nich’ ganz richtig. Kummer hat den Jungen so gemacht, wie er ist. Wavey war mit ihm schwanger, als die Sevenseas Hector unterging. Hat ihren Mann verloren. Wir hätten sie mitnehmen sollen, Junge.«
    »Sie ging in die andere Richtung.«
    »Umkehren dauert keine Minute. Es regnet in Strippen«, sagte Billy.
    Quoyle fuhr in den Eingang zum Friedhof, wendete, fuhr zurück. Als die Frau und das Kind einstiegen, sagte Billy ihre Namen. Wavey Prowse. Herry. Die Frau entschuldigte sich, daß sie so naß waren, saß den Rest des Weges bis zu einem Häuschen einen Kilometer hinter dem Gammy Bird stumm da. Sah Quoyle nicht an. Im Hof neben dem Häuschen stand ein

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