Schiffsmeldungen
Hammer mit dem rot gestreiften Griff in der Hand. In einem winzigen, lebhaften Fenster sah Quoyle, wie Bunny ihren Fuß aufs Dach setzte, auf den Rand der steilen Schräge stieg, als wäre es eine Ebene, wie sie fiel, kreischend auf den Felsen purzelte.
»Ich helfe dir.« Ihr Fuß tastete nach dem Dach. »Ach, Kindchen«, keuchte Quoyle. »Warte da.« Seine Stimme war leise, aber leidenschaftlich drängend. »Rühr dich nicht. Warte da auf mich. Ich hol’ dich. Halt dich gut fest. Steig nicht aufs Dach. Laß dich von mir holen.« Die beschwörende Stimme, der Vater, der sein Kind mit seinen fast aus den Höhlen tretenden Augen auf die Stelle bannte, sich zentimeterweise die üble, verhängnisvolle Schräge hinabbewegte, dann den Arm der Tochter packte, daß ihr der Hammer aus der Hand fiel, »rühr dich nicht, rühr dich nicht, rühr dich nicht« sagte, den bemalten Hammer auf dem Felsen unten aufschlagen hörte. Und dann Quoyle sicher auf den Sprossen, Bunny zwischen seiner Brust und der Leiter eingeklemmt.
»Du zerquetschst mich!«
Quoyle stieg mit schlotternden Knien hinunter, eine Hand an den Sprossen, den linken Arm um die Hüfte seiner Tochter geschlungen. Die Leiter wackelte unter seinem Zittern. Er konnte es nicht glauben, daß sie nicht abgestürzt war, denn in zwei, drei Sekunden hatte er immer wieder ihren kreischen-den Tod durchlebt, immer wieder die Hand nach der leeren Luft ausgestreckt.
12
Die Heckwelle
»Das Slippen hängt von der Reibung in einem Knoten ab, und die Reibung kommt durch Druck zustande. Der Druck und die Stelle innerhalb des Knotens, wo er auftritt, wird ›Bekneifstelle‹ genannt. Die Sicherheit eines Knotens scheint einzig von diesem ›Bekneifen‹ abzuhängen.«
DAS ASHLEY-BUCH DER KNOTEN
Es war wie Spiegelschriftschreiben. Die kleinste Veränderung im Rückwärtsgang schob den Anhänger in die Gegenrichtung, und im Seitenspiegel sah Quoyle Reflexe des Widerstands. Immer wieder knickte der Anhänger ein, wie eine Taschenmesserklinge auf dem Weg ins Heft, und rammte zweimal den neuen Steg. Quoyle hatte es satt, als das Ding plötzlich geradeaus fuhr, ins Wasser hinein. Da war ein Trick dabei.
Stieg aus und sah sich den Anhänger an. Die Reifen standen im Wasser, das Boot schräg. Seine Hand lag schon am Slipphebel, als ihm die Sicherungsleine einfiel. Das wäre ein Spaß, das Boot zu wassern und es wegtreiben zu sehen.
Es gelang ihm, die Bug- und Heckleinen festzubinden, er schob den Hebel beiseite. Das Boot glitt hinunter. Er löste das Seil von der Slippkurbel, krabbelte auf den Steg und befestigte das Boot. Es war eher ein Manöver für zwei. Dann wieder zurück zum Anhänger, den Riegel schließen, das Seil einziehen. Das Fünfzig-Dollar-Boot war im Wasser.
Er stieg ein, erinnerte sich an den verfluchten Motor. Immer noch im Kombi. Trug ihn auf den Steg, setzte den Fuß aufs Achterdeck und fiel ins Boot. Verfluchte alle Wassergefährte von treibenden Baumstämmen bis zu Supertankern.
Quoyle sah nicht, daß er den Motor so angebracht hatte, daß der Bug aufsteigen würde wie die Nase eines Hühnerhundes. Er goß aus dem roten Kanister Benzin hinein.
Der Motor startete beim ersten Zug. Da saß Quoyle nun im Heck eines Bootes. Seines Bootes. Der Motor lief, seine Hand lag auf der Ruderpinne, der Ehering funkelte. Er legte den Rückwärtsgang ein, wie er es bei Dennis gesehen hatte, und gab behutsam ein wenig Gas. Das Heck des Bootes schwenkte zum Steg ein. Er jonglierte hin und her, bis er am Steg vorbei war. Schaltete in den Vorwärtsgang. Der Motor fauchte leise auf, und das Boot fuhr – zu schnell – parallel zur Küste. Er drosselte den Motor, und das Boot schlingerte. Jetzt wieder vorwärts, und die Felsen sprangen vor ihm auf. Instinktiv schob er die Ruderpinne auf die Küste zu, und das Boot kurvte Richtung Omaloor Bay hinaus. Das Wasser kräuselte sich. Auf einem Glaspfeil fahren.
Er betätigte die Ruderpinne, zog Kurven. Jetzt schneller. Quoyle lachte wie ein Hund hinten in einem Pickup. Warum hatte er vor Booten Angst gehabt?
Es wehte ein ablandiger Wind, und die Wellen klatschten gegen den Bootsrumpf, während er dahinraste. Eine scharfe Wende, und er spürte, wie das Boot ins Schleudern kam. Er nahm das Gas zurück. Die Heckwelle hinter ihm rauschte auf und schwappte über das Heck, umspülte seine Knöchel und breitete sich im Boot aus. Er zog wieder am Gasseil, das Boot machte einen Satz nach vorn, aber träge, und das Wasser auf dem Boden
Weitere Kostenlose Bücher