Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
Vom Netzwerk:
gehalten, von Andy Warhol zwei Wochen vor dieser fatalen Operation bis zu Scotland Yard. Sie zieht absolut immer eine Menschenmenge an, wohin wir auch segeln, ob in Antibes oder Boca Raton. Sie ist absolut einzigartig.«
    Er trat in den Regen hinaus.
    »Der Grundriß einer traditionellen holländischen Jacht, aber herrlich luxuriös durch diese unglaublichen Details. Die schönste Botterjacht, glaube ich, die je gebaut wurde. Als wir sie zum erstenmal sahen, war sie ein totales Wrack. Sie lag in irgendeinem gräßlichen italienischen Hafen – gehörte der Prinzessin L’Aranciata -, wir hatten uns für den Sommer in Ansedonia eine Villa gleich neben der ihren genommen, und einmal erwähnte sie dann, daß sie so ein Wrack von einer holländischen Jacht besitze, die Hitler gehört habe, sie aber zu Tränen rühre. Nun denn! Wir sahen sie uns an, und ich erkannte sofort das Potential – es war eindeutig klar, klar, klar, daß das etwas Außergewöhnliches, etwas absolut Einmaliges war.«
    Der Regen troff von den nassen Haaren des Mannes, sein Hemd war davon durchsichtig geworden.
    »Absolut flachgehend, so daß sie ohne den geringsten Schaden überallhin fahren kann, Sie können mit ihr direkt ans Ufer fahren, ob bei Sturm oder zur Reparatur. Unglaublich schwer. Fast vierzig Tonnen Eiche. Natürlich wurde sie für die Nordsee gebaut. Breiter Bug. Absolut seetüchtig. Wissen Sie, meine Frau haßt dieses Boot. Aber ich liebe es.«
    Billy Prettys Blick war auf ein Stück Kunstrasen gefallen, das er für einen Fußabstreifer hielt, bis er die Hundewürste sah. Glotzte.
    »Das ist für den kleinen Spaniel meiner Frau. Tolles System. Hundchen macht Kacka auf das künstliche Gras, Sie werfen es über Bord – sehen Sie die Schlinge an der Ecke für das Seil? – und presto, schleppen es nach, bis es wieder blitze-sauber ist. Tolle Erfindung. Die Idee geht bis aufs fünfzehnte Jahrhundert zurück. Für das Boot natürlich, nicht die Kacka-Matte. Das sind die Boote, die man auf den wunderbaren Gemälden von Rembrandt sieht. Es waren königliche Barken. Heinrich VIII. hatte eine, Elisabeth I. hatte eine. Eine königliche Barke. Sie hieß Das Knie , als wir sie zu Gesicht bekamen, und ich mußte auch auf die Knie gehen, um mein teures Weib dazu zu überreden, daß ich sie kaufen durfte.« Er hielt inne, um Quoyles Lachen abzuwarten. »Hatte den Namen schon, als die Prinzessin es kaufte – absolut niemand hatte ihn geändert, seitdem dieser finstere deutsche Industrielle sie nach dem Krieg besessen hatte. Mein geliebtes Weib meinte, es sollte nach ihr benannt werden, aber ich habe sie Tough Baby getauft. Als ich ihren wahren Charakter erkannt hatte. Dieses Boot ist in hundert Jahren noch seetüchtig. Wurde in Haarlem gebaut. Dauerte neun Jahre. Sie ist absolut, absolut unverwüstbar. Einfach unglaublich massiv. Die Planken sind siebeneinachtel mal sechs Zoll auf elf Zoll breiten Spanten.«
    Billy Pretty pfiff und zog die Brauen hoch. Die Haare des Mannes klebten an seinem gelben Kopf. An Billys und Quoyles Mützen hingen Tropfen wie ein Besatz aus Mondstein. Quoyle kritzelte auf seinem Notizblock, beugte sich vor, um ihn vor dem Regen zu schützen. Zwecklos.
    »Die Beplankung – keiner kann diese Beplankung fassen – ist ausgesuchte Qualitätseiche, zweidreisechzehntel Zoll dick mit doppelter Beplankung am Kiel. Warum? Wegen der seichten Heimatgewässer, voll von Sandbänken, Barren, wechselnden Fahrrinnen. Unglaublich. Die Zuider Zee. Ein trügerisches, trügerisches Gewässer. Man läuft absolut dauernd auf Grund. Auch die Decksplanken sind nicht gerade dünn. Ob Sie’s glauben oder nicht, Sie stehen auf eindreiviertel Zoll Teakholz aus dem Burma vor dem Zweiten Weltkrieg! Heutzutage kann man das Holz, das in dem Boot hier steckt, nirgendwo mehr kaufen, für kein Geld der Welt. Es ist heute einfach völlig verschwunden.«
    Die kieksige Stimme brabbelte in einem fort. Quoyle sah, daß Billy die Hände in den Taschen vergraben hatte.
    »Du elender Lump, mit wem redest du?« schrie eine hohe, heisere Stimme. Der tropfnasse Mann redete weiter, als hätte er nichts gehört.
    »Lassen Sie mich mal überlegen, wir haben eine Besatzung von vier Mann. Sie hat Kuttertakelung, zweitausend Quadratfuß Arbeitssegel, da bedarf es drei unglaublich starker Männer, um das Großsegel zu bedienen, und die haben ständig irgendwelche Hernien und Brüche. Hören ständig auf und gehen von Bord. Es wiegt tausend Pfund. Das Segel, meine ich. Und

Weitere Kostenlose Bücher