Schiffsmeldungen
gebaut. Eines steht fest: Es wird noch mehr Ölverschmutzungen geben, und manche werden fürchterlich werden.
Niemand hängt sich ein Bild von einem Öltanker an die Wand.
Tert Card las den Artikel, legte ihn auf seinen Schreibtisch und sah Quoyle an.
»Du auch«, sagte er. »Du auch, verdammte Scheiße.«
Als die Redaktion an diesem Abend leer war, stellte er sich ans Fenster, wandte sich an einen abwesenden Quoyle.
»Halt dich mit deinem verfluchten amerikanischen roten Greenpeace-Liberalismus hier raus. Was bildest du dir eigentlich ein? O ja, Mr. Quoyles ach so kostbare Kolumne! Das ist gegen unsere ganzen Anstrengungen für Entwicklung und wirtschaftlichen Fortschritt.«
Und er schrieb den Artikel um, machte mit kühner Hand den Klebeumbruch, ging aus und betrank sich. Um die Schmerzen seiner lästigen Mundgeschwüre zu stillen. Wie konnten sie wissen, daß er Glas um Glas kippte, um sich selbst als hart und schön begreifen zu können?
Ein oder zwei Tage später brachte Tert Card ein gerahmtes Bild aus dem Kalender einer Schiffsreederei mit. Er hängte es hinter seinem Schreibtisch auf. Die riesengroße Quiet Eye schob sich vor einem Sonnenuntergang in die Placentia Bay. DER GRÖSSTE ÖLTANKER DER WELT. Als die Tür zum erstenmal zuknallte, hing es gleich schief.
Quoyle fand es lustig, bis Tert Card am Mittag mit den nach Druckerschwärze riechenden Bündeln des Gammy Bird vom Drucker zurückkam. Nahm sich ein Exemplar, blätterte es auf, um zu schauen, wie die Schiffsgeschichte geworden war. Seine Kolumne war zu einer Bildlegende verkürzt worden, die bei dem gleichen Kalenderbild stand, das Tert Card sich an die Wand gehängt hatte.
DAS BILD VON EINEM ÖLTANKER
Stolz fahren über 3000 Öltanker auf den Weltmeeren. Sogar die größten dieser Riesentanker nutzen die tiefen Häfen und Raffinerien Neufundlands. Öl und Neufundland gehören zusammen wie Eier und Schinken, und wie Eier und Schinken werden sie uns alle ernähren. Hängen wir uns alle ein Bild von einem Öltanker an die Wand.
Quoyle spürte, wie ihm das Blut aus dem Kopf wich; ihm wurde schwindlig.
»Was hast du gemacht!« brüllte er Tert Card an, mit einer Stimme wie eine Axt.
»Den Artikel geglättet, das ist alles. Wir wollen nichts von dieser Greenpeace-Scheiße hören.« Tert Card wieherte. Fühlte sich gut. Reckte sein billiges Gesicht.
»Du hast den Artikel völlig verdreht! Du hast ihn zu einem verkommenen Stück Propaganda für die Ölindustrie gemacht. Daß ich dastehe wie ein Sprachrohr der Tankerlobby.« Er drängte Card in eine Ecke.
»Ich hab’s dir gesagt«, sagte Nutbeem. »Ich hab’s dir gesagt, Quoyle, paß auf, er verhackstückt deine Arbeit.«
Quoyle war in Rage, eine Quelle voll Wut, ein Öllager unter harmlosem Sand, angezapft und schäumend.
»Das ist meine Kolumne«, schrie Quoyle. »Du kannst nicht die Kolumne von jemandem ändern, verdammt noch mal, nur weil sie dir nicht paßt! Jack hat mich gebeten, eine Kolumne über Boote und Schiffahrt zu schreiben. Das heißt meine Meinung und meine Schilderung, wie ich die Sache sehe. Das« – er fuchtelte mit der Zeitung vor den flachen Wangen herum – »habe ich nicht geschrieben, ist nicht meine Meinung, ist nicht, wie ich es sehe.«
»Solange ich Chefredakteur bin«, sagte Tert Card rasselnd wie Kiesel in einer Büchse, »habe ich das Recht, alles zu ändern, was meiner Meinung nach nicht zum Gammy Bird paßt. Und wenn du anderer Meinung bist, dann rate ich dir, die Sache mit Jack Buggit zu klären.« Duckte sich unter Quoyles erhobenen Armen durch.
Und rannte zur Tür. »Glaubt bloß nicht, ich wüßte nicht, daß ihr alle gegen mich seid.«
Und die dicke Kerze, die Tert Card war, verschwand mit ihrem flackernden Licht anderswohin.
»Du bist ja eine Überraschung, Quoyle«, sagte Billy Pretty. »Ich hätte nicht gedacht, daß du soviel Dampf im Topf hast. Du hast ihn vertrieben.«
»Jetzt weißt du, wie es steht«, sagte Nutbeem. »Ich habe es dir am ersten Tag zu sagen versucht.«
»Aber paß nur auf. Morgen schwimmt er wieder obenauf. Tert Card beißt sofort zurück, er ist ein rachsüchtiger Hund.«
»Ich bin selber überrascht«, sagte Quoyle. »Ich rufe Jack an«, sagte er, »und kläre die Sache. Entweder schreibe ich eine Kolumne, oder ich schreibe keine.«
»Einen Rat, Quoyle. Ruf Jack nicht an. Er ist beim Fischen draußen, wie du vermutlich weißt. Und es paßt ihm auch nicht, wenn Angelegenheiten vom Gammy Bird bis zu
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