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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Dann rückte sie die beiden Stühle mit Armlehnen, die normalerweise an der Stirnseite des Tisches platziert waren, neben die anderen, wobei sie inständig hoffte, sich keinen Ärger einzuhandeln. »Du sitzt hier, und unser Gast da drüben.«
    »Dann wird es aber ziemlich eng am Tisch. Stellen wir die Stühle lieber an die Stirnseiten.«
    Quinn erstarrte. Ihre abstehenden Zöpfe wirkten wie Stoßdämpfer, bekamen die volle Wucht der Empfindungen zu spüren, die sie in ihrem Innern zu verschließen suchte. Sie musste Ruhe bewahren, doch am liebsten hätte sie alles kurz und klein geschlagen. Ihre Zöpfe fühlten sich an, als wären sie elektrisch aufgeladen, und glühten wie Kabelrollen.
    »Nein«, widersprach sie mit einer Sanftmut, von der sie weit entfernt war.
    »Quinn, ich habe hier schon lange vor deiner Geburt gelebt. Es stand immer jeweils ein Stuhl an den Stirnseiten des Tisches. Grandpa saß auf dem einen, Grandma auf dem anderen.«
    Quinn schüttelte den Kopf. Allie war aus der Küche gekommen, stand dicht hinter ihr. Ihr schmaler Körper strahlte die gleiche Hitze aus, die Quinn in ihrem Innern verspürte, und sie schnaufte wie ein Feuer speiender Drache.
    »Dort sitzt niemand«, sagte Quinn.
    Tante Dana lächelte. Sie sah wirklich hübsch aus, und ihr Blick war belustigt. Offenbar wollte sie das Ganze als Scherz abtun. Quinn wusste, dass sie in den Augen ihrer Familie schon immer das eigenwilligere Kind gewesen war. Ihre Ideen – ihre Mutter hatte sie ›originell‹ genannt – machten für die anderen nicht immer auf Anhieb Sinn. Als Tante Dana nach einem der Stühle griff, um ihn zu verrücken, umklammerte Quinn ihre Hand mit einer Kraft, die keinen Zweifel daran ließ, wie ernst es ihr war.
    »Nein, Tante Dana!«
    »Quinn, ich weiß, das waren die Stühle deiner Eltern, das war ihr Stammplatz.«
    Quinn fühlte sich von Kummer überwältigt. Warum machte Tante Dana ihr das Leben so schwer, wenn sie es wusste? Sie starrte die Stühle an und dachte: Dort saßen sie jeden Abend.
    »Ist«, flüsterte Quinn, »nicht war.«
    »Okay. Das ist ihr Stammplatz.«
    Quinn kniff die Augen zusammen, unfähig, ihren Blick von den Stühlen zu lösen.
    »Aber am Esstisch ist nicht genug Platz für vier Leute, wenn die Stühle nicht dort stehen, wo sie hingehören. Schau doch nur? Wir sind zusammengepfercht und kommen uns gegenseitig mit den Ellenbogen in die Quere.«
    »Und die Goldmakrelen fliegen durch die Gegend«, meinte Allie.
    »Halt die Klappe, Al.«
    »Ich will aber nicht, dass mir ein
Ellenbogen
in die Quere kommt«, beharrte Allie.
    »Blöde Nuss. Behalt lieber Kimba im Auge, weil ich nämlich ein schönes Fenster kenne, durch das er rausfliegen könnte.«
    »Jetzt hört doch auf«, sagte Tante Dana in dem Versuch, Frieden zu stiften, als der Druck in Quinns Brust so groß wurde, dass sie befürchtete zu explodieren. »Wir wissen doch, worum es wirklich geht.«
    »Und das wäre?«
    »Das sind die Plätze eurer Eltern, keine Frage. Egal, wer darauf sitzt, sie werden nur kurzfristig ausgeliehen.«
    »Ausgeliehen?«
    »Ja. An die Person, die auf dem Stuhl deiner Mutter, auf ihrem Platz sitzt. Wir wissen, dass es in Wirklichkeit eine Leihgabe ist.«
    »Und Moms Stuhl bleibt.«
    »Richtig.«
    Aus irgendeinem Grund fiel Quinn die nächste Frage so schwer, dass sie die Worte kaum über die Lippen brachte. »Wirst du darauf sitzen? Auf Moms Stuhl?«
    »Könnte ich.« Doch als sie Quinns Gesichtsausdruck sah, lächelte sie. »Aber ich muss nicht. Wir können Sam hierher setzen. Und ich nehme den Stuhl eures Vaters.«
    Quinn nickte. »Gut, als Leihgabe.«
    »Vorübergehend.«
    »Wie Daddys Häuser«, warf Allie ein. »Die Leute zahlen Miete, aber bleiben nicht für immer.«
    »Podexmiete«, sagte Quinn.
    »Um auf den Stühlen zu sitzen«, führte Allie den Gedanken fort.
    »Genau«, sagte Dana.
    Quinn verspürte beinahe das Bedürfnis zu lächeln. Es stellte sich schnell und mit aller Macht ein, überlagerte das Bedürfnis zu weinen. Sie blockte beides ab, indem sie Tante Dana mit dem finstersten Stirnrunzeln bedachte, das sie aufzubieten vermochte. »Wo sind eigentlich deine Malfarben? Oder hast du nicht wirklich vor zu bleiben?«
    »Sie sind bereits unterwegs.«
    »Wirklich?«
    Ihre Tante nickte. Sie sah dabei nicht besonders glücklich aus, und einen Moment lang fragte sich Quinn, ob sie flunkerte. Bis zum letzten Sommer hatte sie geglaubt, ihre Familie sei die ehrlichste der Welt, aber wenn man sogar von den

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