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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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vorbeugte, um Rosmarinzweige und Thymian zu pflücken.
    Beflügelt von der Erinnerung, trat Dana ins Freie. Westwind wehte vom Strand herauf. Sie kniete sich neben Lilys Kräuterbeete und ließ ihre Finger durch die Blätter gleiten. Kochen war eine Tätigkeit, die Lily zu einer Kunstform erhoben hatte, genau wie die Gartenarbeit und die Erziehung ihrer Kinder. Dana, stets bemüht, mit Kunst ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und die perfekte Unterwasserlandschaft zu malen, hatte die Zeit gefehlt, sich mit dieser Einstellung ernsthaft auseinander zu setzen.
    »Was gibt’s heute Abend zu essen?« Allie trat aus der Küchentür.
    »Goldmakrele«, erwiderte Dana.
    Allies Miene war besorgt, als Quinn ebenfalls herauskam und sich zu ihr gesellte. Wenn sie nur für sich und ihre Nichten kochte, hatte Dana bisher keine großen Umstände gemacht: Da sie die beiden ein bisschen bestechen wollte, hatte sie ihre Lieblingspizzen und andere tiefgefrorene Gerichte aufgetischt. Auf diese Weise sah sich niemand genötigt, Danas Kochkünste mit Lilys zu vergleichen. Heute war sie im Fischgeschäft gewesen und hatte für das Abendessen etwas besorgt, von dem sie wusste, dass es leicht zu grillen war.
    »Ist etwas gegen Goldmakrelen einzuwenden?«
    »Jetzt verdirb Tante Dana bloß nicht die Laune, weil sie Goldmakrelen gekauft hat.« Quinn versetzte ihrer Schwester einen Schubs. »Als Meeresforscher mag er Fisch, bestimmt, wie viele Leute. Die stehen auf Fisch.«
    »Du nicht?« Dana sah Allie in die Augen. Ihre jüngere Nichte schüttelte den Kopf.
    »Wenn Mom Goldmakrele für Daddy gemacht hat«, sagte Allie leise, »hat sie für mich Makkaroni mit Käse gemacht.«
    »Kein Problem, das lässt sich einrichten.«
    »Für mich auch« sagte Quinn. »Aber heute Abend esse ich Fisch. Dir zuliebe, Tante Dana.«
    »Danke.« Dana musterte die Kräuterbeete. Der würzige Duft von Salbei und Thymian hüllte sie und die Mädchen ein; sie spürte die Gegenwart ihrer Schwester so stark, als stünde sie direkt hinter ihr.
    »Was machst du da eigentlich? Schlägst du Wurzeln im Kräutergarten?«, fragte Quinn.
    »Ich habe an eure Mutter gedacht. Und was für Kräuter sie für die Goldmakrelen nehmen würde.«
    »Davon.« Quinn brach einen Zweig Rosmarin ab. Dann pflückte sie eine Hand voll Thymian und reichte Dana das Bund. »Und davon. Sie hat immer gesagt, wenn man frische Kräuter verwendet, kocht man mit Liebe.«
    Dana schloss die Augen und roch an den Kräutern. Ein paar Thymianranken hingen von ihrer Hand herab, kitzelten ihre bloßen Knie. Ihre Sinne waren hellwach, sie spürte ein Prickeln im Nacken. War es das, was sie wollte? Mit Liebe kochen? Sie war sich nicht sicher, ob sie so etwas je zuvor getan hatte.
    »Um welche Uhrzeit kommt er?«, erkundigte sich Allie.
    »Um sieben«, erwiderte Quinn mit einem leicht trotzigen Unterton, als befürchtete sie, Dana sei wütend. Doch ihre Tante streifte lediglich mit den Lippen über das Gewirr der weichen Stängel und Blätter, dann schloss sie ihre Nichten in die Arme. Sie wehrten sich nicht. Sie dachte an den Gast, der sich um sieben Uhr angesagt hatte, und überlegte, was es bedeuten mochte, dass sie heute Abend mit Liebe für ihren alten Freund Sam Trevor kochen würde.
     
    Kaum zu glauben, aber die erwartete Gardinenpredigt blieb aus. Tante Dana, die schlechteste Köchin der Welt, bereitete friedlich das Abendessen für einen Gast zu, den sie nicht einmal eingeladen hatte. Während sie sich in der Küche zu schaffen machte, fragte sich Quinn, was ihre Tante von der Situation halten mochte. Vielleicht nahm sie an, dass Sam sich selber eingeladen hatte. Oder dass sie ihn eingeladen und es vergessen hatte.
    Klar, so war es wohl.
    Merkwürdigerweise konnte Quinn nicht einmal mit Sicherheit sagen, warum sie ihn angerufen hatte. Nachdem sie mit dem Tennisschläger ihres Vaters gewütet und sich an der armen Matratze und ihrem Kopfkissen abreagiert hatte, wobei versehentlich – tragischerweise – die Muschellampe ihrer Mutter zu Bruch gegangen war, war sie wie ein Zombie in Tante Danas Zimmer geschlichen und hatte in ihrer Handtasche gestöbert. Ihr Plan stand bereits fest, zugegeben, doch als sie Sams Telefonnummer gefunden hatte, hatten ihre Finger wie von selbst gewählt, als gehörten sie nicht zu ihrem Körper. Ihre Stimme hatte eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, ganz ohne ihr Zutun.
    Hatte sie wirklich damit gerechnet, dass er zurückrief?
    Die Antwort lautete Nein,

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