Schilf im Sommerwind
Panorama noch immer bewundernd, lächelte er, als Dana öffnete.
»Hallo.«
»Hallo.« Er überreichte ihr den Wein, den er mitgebracht hatte. »Danke für die Einladung.«
»Keine Ursache. Ich freue mich, dass du da bist.«
Dana trat beiseite, um ihn hereinzulassen, und küsste ihn auf die Wange. Als er sich hinunterbeugte, berührte er ihre Taille. Sie war heute Abend wunderschön, ihre Haut hatte mehr Farbe als vor einer Woche, und das Licht des Meeres spiegelte sich in ihren blauen Augen. Gertenschlank in beigefarbenen, weiten Hosen und einem weißen Männerhemd mit aufgekrempelten Ärmeln sah sie genauso aus wie damals auf dem Steg von Newport.
»Ich hoffe, du magst Goldmakrelen, denn die gibt es heute Abend«, begrüßte Allie ihn aufgekratzt.
»Lass ihn erst einmal richtig ankommen, bevor du ihn wieder vertreibst«, sagte Dana.
»Das trifft sich ausgezeichnet, ich liebe Goldmakrelen.«
»Das sagst du nur aus Höflichkeit«, meinte Dana. »Ich habe erfahren, dass mir damit ein absoluter Fehlgriff unterlaufen ist. Bedauerlicherweise war es da schon zu spät.«
»Nein, das hat nichts mit Höflichkeit zu tun. Ich meine es todernst. Goldmakrelen gehören zu den besten Fischen, die es hier in der Gegend gibt.«
»Warum?«, fragte Quinn.
»Das wirst du schon sehen, beim Essen.« Sam folgte den anderen ins Esszimmer.
Während Dana die Flasche öffnete und zwei Gläser Wein einschenkte, sah sich Sam im Raum um. Quinn wollte unbedingt, dass er einen Blick durch das Teleskop warf, das auf Orient Point gerichtet war, und Allie zeigte ihm die gemauerte Feuerstelle, die ihr Großvater während eines Hurrikans errichtet hatte.
»Lass ihn in Ruhe, Al«, knurrte Quinn. »Er möchte durch das Teleskop schauen. Stimmt’s, Sam? Siehst du was?«
»Ja, den Sund.«
»Ozeanographen können alles im Meer sehen, oder? Auch wenn das Wasser aufgewühlt oder der Meeresboden voller Seetang ist, sehen sie Dinge, die anderen entgehen, habe ich gehört.«
»Wir versuchen es jedenfalls.« Sam lachte.
»Was siehst du jetzt?«
»Die Wickland Shoals.« Er stellte das Okular richtig ein. »Dort hat mein Bruder die
Cambria
ausgegraben. Ihr kennt die Geschichte sicher.«
»Das alte Schiffswrack«, sagte Quinn.
»Das war dein Bruder?« Dana reichte ihm das Glas Wein.
»Ja. Das ist ungefähr zwei Jahre her. Er hatte von dem Gold gehört, das sich an Bord befand, konnte den größten Teil des Schatzes heben und das Wrack bergen. Dabei hat er Caroline kennen gelernt, seine Frau.«
»Lily hat es mir erzählt. Wir haben früher in der Schule etwas über die
Cambria
gelesen und uns postwendend auf Goldsuche an den Firefly Beach begeben.«
»Dein Bruder hat das Wrack heraufgeholt?« Quinns Augen leuchteten, als sie Sam ansah.
Sam wollte gerade antworten, als er Danas Miene wahrnahm. Sie sah überrascht aus, als hätte sie Quinns begeisterte Reaktion nicht erwartet, und dann fiel Sam ein, dass Lily und ihr Mann mit ihrem Segelboot im Long Island Sound untergegangen und solche Geschichten für Quinn vielleicht nicht gut waren.
»Ja, hat er. Mein Bruder ist Schatzsucher.«
»Du auch?«, fragte Allie.
»Nein, ich bin nur Meeresbiologe. Joe nennt mich Fischmensch. Ich fahre mit Forschungsschiffen aufs Meer hinaus und studiere alles, was schwimmt.«
»Wenn ich daran denke, dass wir dich einmal aus dem Hafen von Newport gefischt haben!« Dana lächelte und nippte an ihrem Wein, als sie sich auf das Sofa zwischen die beiden Mädchen setzte.
»Ihr habt mir das Leben gerettet.« Sam sah sie an. Die Worte klangen beiläufig, und sie konnte nicht ahnen, was sie für ihn bedeuteten. Die Mädchen kicherten, hielten sie für eine schamlose Übertreibung.
Sie unterhielten sich eine Weile, dann trug Dana das Essen auf. Sam erbot sich, den Grill anzuzünden. Mit neunundzwanzig hatte er sein Junggesellenleben derart rationalisiert, dass es fast eine Wissenschaft geworden war, und er grillte oftmals Fisch im Heck seiner Cape Dory. Die Mädchen begleiteten ihn nach draußen, hörten aufmerksam zu, als er ihnen eine kurze Nachhilfestunde über die sensorischen Fähigkeiten der Goldmakrelen erteilte und auf die dunkle Linie an den Seiten der Fischleiber hinwies, die eine Art Sonarsystem darstellte.
»Wie das Unterwasserortungsgerät bei U-Booten?«, fragte Quinn interessiert.
»Genauso.«
»Darüber haben wir etwas in der Schule gelernt. Dass einige Lebewesen Schallwellen aussenden, und wenn diese auf Gegenstände treffen, werden sie
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