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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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eigenen Eltern belogen wurde, wusste man nicht mehr, wem man noch trauen durfte.
    »Kannst du auch ohne Monique malen?«, fragte Quinn.
    Danas Kopf fuhr herum. »Woher weißt du von Monique?«
    »Mommy hat uns von ihr erzählt, dass sie dir im Atelier hilft. Sie hat ihr einen Brief geschrieben, aber keine Antwort bekommen. Trotzdem hat Mommy auf Post von ihr gewartet.«
    »Monique war schreibfaul, nicht gerade der Typ, der Briefe beantwortet.«
    »Wieso nicht?«, fragte Allie.
    »Du weißt sicher, dass deine Mutter mich immer als Freigeist bezeichnet hat, oder?«
    »Ja«, sagte Quinn.
    Tante Dana war still, als ginge ihr etwas Ernstes durch den Kopf. Ihr Lächeln war verflogen, und sie sah mit einem Mal traurig aus. »Monique war anfangs so etwas wie meine kleine Schwester für mich. Sie war weit weg von zu Hause und wollte Malerin werden. Die Sache ist nur, dass viele diesen Wunsch haben …«
    »Aber nur wenige das Talent«, hakte Quinn ein, auf den Punkt kommend.
    Tante Dana lächelte beinahe, aber nicht ganz. »Das entzieht sich meiner Kenntnis. Aber wie dem auch sei, manche Leute bewundern das Leben, das Künstler führen, und versuchen, es ihnen nachzumachen. Nicht alle malen so, wie sie gerne möchten, aber sie fühlen sich magisch angezogen vom unkonventionellen Künstlermilieu.«
    »Die Möchtegern-Maler«, erläuterte Quinn. »Ich weiß schon. Die sind immer schwarz gekleidet und qualmen wie ein Schlot.«
    »Genau wie du«, sagte Allie.
    »Halt die Klappe, Al.«
    »Monique war für mich keine Möchtegern-Malerin.« Tante Danas Augen waren tiefgründig, ihr Mund wurde weich. »Ich hielt sie für ein viel versprechendes Talent. Sie war oft im Atelier – Modell sitzen war ein Teil ihrer Arbeit, aber sie half mir auch bei der Herstellung meiner Leinwände und Reinigen der Farben. Sie traute sich nicht, mir ihre Skizzen zu zeigen. Sie war aus dem gleichen Grund wie ich nach Honfleur gekommen – die Stadt gilt als die Wiege des Impressionismus. Viele Maler pilgern dorthin. Monique auch …« Tante Dana schluckte. Quinn hatte den Eindruck, als versuchte sie, sich selbst etwas einzureden.
    »Welche Farbe hatte ihre Kleidung?«, fragte Quinn.
    Nun lächelte Tante Dana. »Sie trug meistens Schwarz, und sie rauchte. Das waren Äußerlichkeiten, für die sich eure Mutter und ich nie interessiert haben.«
    »Hattet ihr ja auch nicht nötig«, sagte Quinn. »Ihr konntet ja malen, richtig malen.«
    »Danke.« Tante Dana sah gerührt aus, als wüsste sie Quinns Lob zu schätzen.
    »Wusstest du, dass sie ein Freigeist ist – wie du?«, fragte Allie.
    »Verglichen mit Monique bin ich ziemlich bodenständig. Sie ist dagegen völlig ungebunden.« Tante Dana runzelte die Stirn, dachte nach. »Regeln, Konventionen, Etikette – das alles war nichts für sie.«
    »Hat sie deshalb nicht auf Moms Brief geantwortet?«, fragte Allie.
    »Das war nicht nett«, warf Quinn ein. »Sie mag frei und ungebunden sein, aber nett ist sie nicht.«
    Tante Dana antwortete nicht; sie hatte immer noch den geistesabwesenden, schmerzlichen Blick, als hätte sie etwas erlebt und empfunden, worüber sie nicht sprechen wollte.
    »Sie hilft dir also nicht mehr im Atelier?«, fragte Quinn.
    »Nein, das war einmal«, erwiderte Tante Dana ruhig.
    »Du bist doch Malerin, aber ich habe dich noch nie malen sehen«, sagte Allie und verlieh der Sorge Ausdruck, die Quinn auch schon gehabt hatte.
    »Dann werde ich uns Platzkarten machen, damit wir alle auf dem richtigen Stuhl sitzen. Zählt das bei euch als malen?«
    Quinn zuckte die Achseln, aber Allie sagte erleichtert: »Ja«. Es war bereits sechs. Noch eine Stunde bis zu Sams Ankunft. Quinn verspürte ein Gefühl der Enge in der Brust, weil sie vorher unbedingt Tagebuch schreiben musste. Wenn sie sich beeilte, konnte sie es gerade rechtzeitig zum Little Beach und zurück schaffen. Sie schlich auf leisen Sohlen zur Tür, atmete auf. Doch dann blickte Tante Dana hoch.
    »Wo sind eigentlich die Sets mit den Schiffen? Wir haben sie nicht benutzt, seit ich hier bin, aber ich weiß, dass sie irgendwo sein müssen. Würdest du sie bitte ins Regal zurücklegen, falls du sie zufällig findest, Quinn?«
    »Klar.« Quinn wurde abermals rot. »Falls ich sie sehe.«
     
    Als Sam an die Küchentür klopfte, konnte er nicht umhin, genau wie bei seinem letzten Besuch die traumhafte Aussicht zu bemerken. Sein Blick glitt über den Garten und die Steinterrasse, den Strand und die Marsch zum Long Island Sound. Das

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