Schilf im Sommerwind
Quinns Worte wieder ein: mit Liebe kochen. Was bedeutete das? Sie war für eine kleine Familie verantwortlich, die auseinander gefallen war. Allie hatte sich nach oben in ihr Zimmer verzogen, Quinn sich wie fast jeden Abend aus dem Staub gemacht. Sam hatte sich bereit erklärt, sie zu suchen, und inzwischen war sie fest überzeugt, dass sie sein Angebot annehmen sollte.
»Sie wird am Little Beach sein, auf dem Felsen«, sagte Dana nun.
»Okay. Ich bin bald wieder da«, erwiderte er, schob seinen Stuhl zurück und ging zur Tür. Ihr war heiß, als sie ihm nachsah, trotz der stetigen Brise, die durch das Fenster wehte.
Das
D
im Sand hatte nichts damit zu tun.
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8
E s dunkelte. Quinn hätte sich ohrfeigen können, weil sie nicht daran gedacht hatte, eine Taschenlampe mitzunehmen. Wenigstens hatte sie Streichhölzer in der Tasche, und so entzündete sie ein kleines Feuer aus den trockenen Treibholzzweigen und leeren Blättern, die sie hinten aus ihrem Tagebuch herausgerissen hatte. Mücken flogen todesmutig mitten durch den Rauch, Quinn hatte bereits mehrere Stiche am Hals, doch sie schenkte ihnen keine Beachtung. An den großen Felsen gekauert, schrieb sie, so schnell es ihre Hand erlaubte.
Er ist jetzt im Haus, und ich bin am Little Beach. Warum, willst du wissen, liebes Tagebuch? Warum ich einen Wissenschaftler mit Trick siebzehn zum Essen einlade und mich dann aus dem Staub mache, noch bevor die Goldmakrele auf dem Tisch steht? Weil ich ein Idiot bin, deshalb. Ich benehme mich wie ein Idiot, auch wenn ich meine lichten Momente habe. Aus Schaden wird man klug, heißt es. Aber wozu soll die ganze Klugheit gut sein, wenn der Schaden nicht mehr gutzumachen ist?
Bestimmte Dinge gehen mir unter die Haut. Das ist das ganze verflixte Problem. Wäre meine Haut ein Zirkuszelt, fänden Elefanten, Tiger, Trapezkünstler, Clowns und der Zirkusdirektor darunter Platz. Ich könnte drei Manegen mit Dingen füllen, die mir unter die Haut gehen.
Welche, zum Beispiel?
Also, da wäre der Esstisch. Tante Dana tat ihr Bestes, damit alles klappt, aber das war nicht genug. Allein der Anblick der vier Gedecke weckte den unbändigen Wunsch in mir, ihn umzukippen, damit das Geschirr in hohem Bogen herunterfliegt! Ich konnte nur noch an das letzte Abendessen denken, bei dem die ganze Familie beisammen war, alles glücklich und normal. Und sechs Stunden später? Die Hälfte ausradiert –
Egal, was Tante Dana auch sagte, ich wollte einfach nicht, dass Sam und sie auf Moms und Dads Plätzen sitzen. Aber der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war ihre Bitte, den Salat anzumachen, genau in dem Moment, als ich Sam so weit hatte, dass ich ihm meine wichtigste Frage stellen wollte – den Grundstein legen, sozusagen. Warum musste ich bloß so in Wut geraten? Ich versuche, mich zu beherrschen, aber die Dinge, die mir unter die Haut gehen, nehmen ein Eigenleben an.
Andere Dinge, die mir unter die Haut gehen: Mom, Dad, dass sie früher glücklich waren und später ständig stritten, dass Tante Dana nicht malt, dass sie plant, uns mit nach Frankreich zu schleppen, die …
Quinn hielt inne und lauschte. Das Feuer prasselte, das Holz rutschte. Das war alles. Sie wollte gerade weiterschreiben, als sie das Geräusch erneut hörte: Jemand kam den Pfad entlang. Hastig verstaute sie ihr Tagebuch in der Plastiktüte und spähte um den Felsen. Es war Sam.
»Schöner Abend für einen Spaziergang«, rief er ihr vom anderen Ende des Strandes zu.
»Wenn du Mücken magst.«
»Sie hassen mich. Ich werde nie gestochen.«
»Du Glückspilz.«
»Du hast ein köstliches Essen verpasst.«
»Sie hat mir bestimmt was aufgehoben.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher.« Sam kam näher, nahm auf dem Felsen neben Quinn Platz. Seine Miene war ernst.
»Was soll das heißen?«
»Du gibst dir die größte Mühe, sie aus dem Haus zu treiben. Wenn du so weitermachst, könnte es dir irgendwann gelingen.«
Quinns Aufmerksamkeit war schlagartig geweckt. Stirnrunzelnd blickte sie ihn über das Feuer hinweg an. »Rede ruhig weiter.«
»Ich weiß, wie dir zumute ist, Quinn. Du hast das Gefühl, vom Leben schlecht behandelt zu werden.«
»Woher willst du denn das wissen?«
»Bei mir war es genauso, als ich in deinem Alter war.«
»Ja? Und wie?«
»Egal. Ich werde es dir eines Tages erzählen. Die Einzelheiten sind nicht interessant. Was zählt, ist, was ich dagegen getan habe.«
Quinn seufzte. Das war mal wieder typisch.
»Was war das?«
»Ich
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