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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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eventuell eine Nacht. Grandma wird euch so lange unter ihre Fittiche nehmen.«
    Zufrieden mit der Auskunft, lehnte sich Quinn zurück. Allie ließ sich über ihre Segelkünste aus. Schwimmen und Tennis waren abgeschrieben, sie wollte nur noch segeln. Sie war fest entschlossen, an Regatten teilzunehmen und alle anderen abzuhängen. Zu Beginn des Winters wollte sie die Nummer eins in der Frostbeulen-Flotte von Hawthorne Harbor sein.
    »Skipper Allie.« Quinn kicherte.
    »Was ist daran so komisch?«, fauchte Allie. »Tante Dana, wer war bei euch Skipper auf der
Mermaid
? Mommy oder du?«
    »Wir haben uns abgewechselt.« Ihre Stimme klang streng, Sams wegen.
    »In Newport war deine Tante der Skipper«, sagte Sam.
    »Wo sie dir Unterricht gegeben hat?«, hakte Allie nach.
    »Sie hat dir eine Menge beigebracht.« Quinn gähnte nach dem Tag in der Sonne. Der Verkauf der Hotdogs und die Segelpartie waren anstrengend gewesen. »An Bord der
Mermaid
hast du dich heute wacker geschlagen. Würdet ihr mich jetzt bitte entschuldigen?«
    »Natürlich«, sagte Dana.
    »Ich mache noch einen Verdauungsspaziergang.« Quinn lief in die Küche, um ihre Taschenlampe zu holen. Dana wusste, dass sie zum Little Beach wollte; sie würde sich hüten, sie davon abzuhalten.
    »Ich gehe in mein Zimmer«, verkündete Allie.
    »Verlier die Karte nicht.« Quinn händigte Sam im Vorübergehen einen Packen Geldscheine aus, als sie aus der Tür trat.
    Als sie alleine waren, spürte Dana wieder das bekannte, deprimierende Gefühl. Sie musste Klartext mit jemandem reden, dem sie gerne vertraut hätte, aber nicht vertrauen konnte, ein Umstand, der soeben offenkundig geworden war.
    »Wofür hat sie dich bezahlt?«
    »Ähm.« Sam fühlte sich sichtbar unbehaglich. »Können wir es dabei bewenden lassen, wenn ich dir sage, dass es eine vertrauliche Angelegenheit zwischen ihr und mir ist?«
    »Nein«, entgegnete Dana scharf.
    Das Kerzenlicht hüllte sie ein, verlieh dem Raum einen warmen, leuchtenden Schimmer. Draußen plätscherten die Wellen gegen das Ufer der Sandbucht. In der Ferne ertönte das Zischen einer Rakete, die man in eine Flasche gesteckt und gezündet hatte: Offenbar probte jemand für den Nationalfeiertag, den Vierten Juli, der in weniger als einer Woche begangen wurde. Sam reckte sich, als wollte er unbedingt einen Blick auf das Feuerwerk erhaschen, doch als er sich wieder umdrehte, blickte ihn Dana immer noch fragend an. Mozarts Violinkonzert erreichte sein Crescendo. Sie hasste es mehr als alles in der Welt, hintergangen, im Dunkeln gelassen zu werden.
    »Ich verlange eine Antwort.«
    »Ich habe es versprochen.«
    »Ich bin ihr Vormund, Sam. Wenn ich dir schon nicht vertrauen kann, warum sollte sie es dann tun!«, ereiferte sich Dana und dachte daran, wie leicht es war, Versprechen abzugeben, und wie leicht, sie zu brechen.
    »Also gut, Dana.« Seine Stimme klang, als fühlte er sich in die Enge getrieben. »Sie möchte, dass ich nach dem Boot ihrer Eltern tauche.«
    »Was meinte sie vorhin auf der Terrasse damit, dass sie es absichtlich getan haben?«
    »Sie denkt, dass es kein Unfall war.«
    »O Gott.« Plötzlich verpuffte das Gefühl, hintergangen worden zu sein. Als Dana an Quinns Kummer und Verzweiflung dachte, füllten sich ihre Augen mit Tränen.
    »Sie möchte, dass ich mit einem Forschungsschiff den Sund abfahre; ich könnte mir eines von Yale ausleihen, das wäre kein Problem. Wir haben ein Echolot an Bord, mit dem sich ein Segelboot orten lässt. Sie meint, wenn ich tauchen und nach Anzeichen dafür suchen würde, dass es sich doch um einen Unfall handelt – beispielsweise ein Leck im Bug –, wäre alles gut.«
    »Und wenn es kein Leck im Bug gibt?«
    »Ich werde nachschauen, ob die Seeventile offen oder geschlossen sind. Sie erwähnte irgendjemanden von der Versicherung, der Ermittlungen durchführte.«
    »Ja, stimmt.« Dana erinnerte sich an Fred Connelly – an den Kahlkopf mit dem freundlichen runden Gesicht. »Selbstmord wurde aber nie in Betracht gezogen. Und wenn, dann hat er es mit keiner Silbe erwähnt.«
    »Und was hat er herausgefunden?«
    »Nichts von dem, was du unterstellst!«, rief Dana aufgebracht. »Die beiden haben die Schifffahrtsstraße gekreuzt. Da draußen herrscht viel Verkehr – Tanker, Frachter. Die Nacht war sternenklar, aber Mark hat sich womöglich bei der Entfernung verschätzt … das passiert manchmal.«
    Sam nickte, aber Dana sah, dass er nicht überzeugt war. Was hatte Quinn ihm erzählt?

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