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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Was hatte sich in diesem Haus abgespielt? Diese vier Wände bargen ein Geheimnis, zeugten vom Unglück eines Menschen. Ihre Mutter hatte eine Andeutung gemacht, Quinn hatte aus dem Nähkästchen geplaudert. Das Kerzenlicht war bemüht, die Schatten zu vertreiben, aber Dana spürte die Anspannung. Sie dachte an ihre Gespräche mit Lily zurück. Alles war immer ›fantastisch‹, ›wunderbar‹, ›perfekt‹ gewesen. Warum hatte ihr niemand den Tipp gegeben, einen Blick hinter die wohl geordnete Fassade zu werfen?
    »Das passiert manchmal«, wiederholte Dana laut.
    »Quinn glaubt, dass ihre Eltern das Boot versenkt haben.«
    »Und du ermutigst sie dazu?«
    »Wie kannst du das von mir denken!«
    »Du nimmst schließlich ihr Geld.« Dana spürte, wie sich die Wut in ihr aufbaute. »Und bist dauernd hier.«
    »Nicht wegen Quinn.«
    »Sie ist verletzlich«, sagte Dana, seine Worte ignorierend. Sie spürte, wie sich ihr Körper zunehmend anspannte, und stand auf, um zum Fenster hinüberzugehen. Am anderen Ende der kleinen Bucht erspähte sie Quinns Taschenlampe. Der Strahl glitt spielerisch über das Wasser und war dann direkt auf Hunting Ground gerichtet.
    »Ja, ich weiß, aber sie hat dich, um sie zu beschützen.«
    »Ich tue mein Bestes, aber es ist nicht leicht. Manchmal verstehe ich sie einfach nicht. Ich habe keinen blassen Schimmer, was in ihrem Kopf vorgeht. Ich bin ihre Tante, nicht ihre Mutter, und fühle mich schon bei dem Versuch, den Laden am Laufen zu halten, überfordert.«
    »Ich weiß, Dana.«
    »Du? Du hast keine Ahnung!« Ein Schauer durchrieselte sie. »Du kennst mich nur so, wie ich früher war. Bei Wind und Wetter mit dem Segelboot unterwegs, kein Risiko scheuend, wenn du dich an die Abschluss-Regatta erinnerst. Aber so bin ich nicht mehr.« Sie schauderte abermals bei diesem Bekenntnis.
    »Du bist stark, Dana. Sehr stark.«
    »So möchten mich andere gerne sehen.«
    »Quinn hat mich um Hilfe gebeten«, sagte Sam. Er trug noch das gleiche T-Shirt, das er beim Segeln angehabt hatte, und seine Muskeln glänzten im Kerzenlicht. Salzkristalle glitzerten auf seinen Haaren und Augenbrauen. »Und ich werde keinen Rückzieher machen.«
    »Ich bin offiziell zu ihrem Vormund bestellt. Und wenn ich die Bitte äußere, dein Angebot zurückzuziehen, erwarte ich, dass du ihr entsprichst.«
    »Warum solltest du mich darum bitten?«
    »Sie zu dem Gedanken ermutigen, dass ihre Eltern Versicherungsbetrug begangen und das Boot versenkt haben? Meinst du, dass du ihr damit hilfst?«, rief sie erbost aus.
    Als sie auf das Meer hinausblickten, sahen sie, dass Quinns Taschenlampe inzwischen ununterbrochen auf einen Fleck gerichtet war. »Sie hätte ein Ziel vor Augen, auf das sie sich konzentrieren kann«, sagte Sam. »Und das Gefühl, etwas zu tun. Die Suche nach Indizien ist real, greifbar und besser, als mit den Ängsten zu leben.«
    »Die Vorstellung ist grauenvoll.«
    »Hast du Angst, dass sie sich bewahrheiten könnte? Willst du sie deshalb daran hindern, die Wahrheit herauszufinden?«
    Dana antwortete nicht. Schauernd dachte sie an die verschlossene Angelkiste unten im Schuppen. Warum hatte sie nicht längst versucht, sie aufzubrechen? Hatte sie solche Angst, unliebsame Dinge über das Leben ihrer Schwester in Erfahrung zu bringen?
    »Sie hält Wache auf dem Felsen«, sagte Dana, das Thema wechselnd. »Sie würde die ganze Nacht dort verbringen, wenn ich sie ließe.«
    »Vielleicht solltest du sie lassen.«
    Dana warf ihm einen raschen Blick zu. »Wie kommst du auf den Gedanken?«
    »Das werde ich dir irgendwann erzählen.«
    »Hast du auf ähnliche Weise Wache gehalten?«
    »Ja. Es ging um meinen Vater.«
    Dana wollte ihn fragen, warum, aber in diesem Augenblick sah sie, dass Quinns Taschenlampe im Wald auf und ab hüpfte, den Weg an den Felsen entlang beleuchtete. Sam hatte es ebenfalls bemerkt.
    »Was ist, ziehen wir das gemeinsam durch?«
    Das Wort ›gemeinsam‹ widerstrebte ihr zutiefst. Es beschwor die Vorstellung an ein Paar oder Team herauf. Sie schüttelte den Kopf, aber Sam ließ nicht locker.
    »Darf ich sie dann wenigstens zu der Stelle bringen, an dem das Boot gefunden wurde?«
    Dana zögerte, dann nickte sie.
    »Gut. Ich komme morgen wieder.«
    »Um rauszufahren?« Dana deutete mit einer Geste zum Fenster.
    »Nein, noch nicht. Ich kann das Schiff erst gegen Ende des Sommers ausleihen, wenn die Meeresbiologen ihre Forschungsarbeit beendet haben.«
    »Warum dann?«
    »Was glaubst du, warum ich komme,

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