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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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lösen. Er hatte die Hemdsärmel hochgekrempelt. Seine nackten Unterarme auf dem Lenkrad wirkten sehr sexy.
    »Richtig …«
    »Warum heute?«
    Er rieb sich das Kinn. »Das ist eine gute Frage. Gestern ging es nicht – ich hatte eine Besprechung mit zwei Wissenschaftlern aus Schottland. Und vorgestern auch nicht – ich musste für den Ozeanographen einspringen, der die Hafenstudie leitet. Und die zwei Tage davor wollte ich dir eine Pause gönnen. Ich hatte das Gefühl, dass ich dir ein bisschen auf die Nerven gegangen bin, gelinde ausgedrückt.«
    »Das bist du.«
    »Mein Instinkt funktioniert also.«
    »Und warum bist du jetzt hier?«
    »Eine innere Stimme sagte mir, dass ich mich in meinen Wagen setzen und schleunigst herfahren sollte. Weil du meine Hilfe brauchst.«
    »Vielen Dank, aber es geht auch ohne, Sam.«
    »Das kannst du mir nicht erzählen, Dana. Wo stecken die Mädchen?«
    »Fangen Krebse.«
    »Die zwei sind ganz nach meinem Geschmack.« Er grinste. »Hast du sie mal wieder zum Segeln mitgenommen?«
    »Jeden Tag. Aber es ist eher umgekehrt, sie schleppen mich mit. Quinn kämpft mit mir darum, wer ans Ruder darf; sie ist gut als Skipper, ein echtes Naturtalent.«
    »Quinn und ein Boot, da solltest du aufpassen. Irgendwann wird sie bei einer Einhandsegel-Regatta rund um die Welt mitmachen, bevor du auch nur Piep sagen kannst.«
    Dana unterdrückte ein Lachen, weil er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Sie stellte fest, dass sein Lächeln, sein gefühlvoller Blick und seine unglaublich ausgeprägten Unterarmmuskeln sie ziemlich ablenkten.
    »Also, wohin willst du?«
    »Wie kommst du auf die Idee, dass ich weg will?«
    »Du hältst die Autoschlüssel in der Hand und warst auf dem Weg zu deinem Wagen. Du sahst so zielstrebig aus, als hättest du einen Plan.«
    »Ich bin kein Detektiv, sondern Malerin. Ich halte nichts von Planung, sondern entscheide lieber spontan.«
    »Dann lass dir dabei helfen.« Der übermütige Tonfall war verschwunden, genau wie der belustigte Blick. Seine Miene war ernst und entschlossen. »Na komm schon. Gib dir einen Ruck und steig ein, ich fahre dich.«
    Sie hatte Schmetterlinge im Bauch, als sie an ihr Vorhaben dachte. Sie wollte ihn wegschicken, wollte keine Mitwisser. Vor allem wollte sie sich nicht einmal selbst eingestehen, wie froh sie war, ihn wiederzusehen. Er würde es nie erfahren, weil sie niemals zugeben würde, dass sie sich den Kopf zerbrochen hatte, wo er stecken mochte. Beinahe sieben Tage waren ohne ein Lebenszeichen von ihm vergangen. Dana hatte Quinn getröstet, sich dabei aber nicht minder verlassen gefühlt.
    Doch dieses Geheimnis würde sie nicht preisgeben. Als Sam sich über den Sitz beugte, um die Tür auf der Beifahrerseite zu öffnen, ging sie hoch erhobenen Hauptes um den VW -Bus herum.
    »Ich muss den Verstand verloren haben. Aber ich habe Quinn ein Versprechen gegeben.«
    »Das ist gut.«
    »Seit einer Woche schiebe ich die Sache auf die lange Bank. Ich rede mir ein, dass wir das Problem auch so lösen. Ich nehme den Stift in die Hand und versuche zu zeichnen, aber es kommt nichts dabei heraus. Und sie verbringt ihre ganze Zeit auf dem Felsen. Sie ist blockiert, und ich bin blockiert, und deshalb …«
    »Und deshalb hast du beschlossen, etwas dagegen zu unternehmen. Sag mir nur, wohin die Fahrt geht; ich bringe dich hin. Was immer du mir auch vorwerfen magst, wir können es später klären.«
    Da Dana ein schlechtes Gewissen wegen ihres Wutausbruchs bei der letzten Begegnung hatte, lotste sie ihn durch den Ort, und zehn Minuten später fuhren sie die schattige Straße entlang, die an der Congregational Church und der Black Hall Gallery vorbeiführte.
    Marks Büro hatte sich im ersten Stock eines alten viktorianischen Gebäudes im Zentrum von Black Hall befunden. Blassgelb mit weißem Fachwerk, stammte es aus dem Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, ein ungewöhnlicher Firmensitz für eine Bauträgergesellschaft, die Land entwickelte und neue Immobilien veräußerte. Das Haus hatte Mark gehört, war aber nach dem Tod der beiden verkauft worden.
    »Hübsch«, sagte Sam und blickte durch die Fenster des VW -Busses.
    »Das ist Lilys Verdienst. Sie hat es ausgesucht. Ich war nie in Marks Büro, aber ich erinnerte mich an das Haus, da sie es mir in einem ihrer Briefe beschrieb. Im Erdgeschoss befand sich der Gemischtwarenladen von Miss Alice – Lily und ich hatten dort als Kinder Süßigkeiten für ein paar Penny gekauft, und irgendwann später,

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