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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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es war Sommer, entdeckte ich dort ein silbernes Medaillon, das ich ihr schenkte.«
    »Vielleicht kaufte ihr Mann es deshalb und richtete seinen Firmensitz in dem alten Haus ein. Weil es Lily so viel bedeutete.«
    »Möglich. Du hast ihn kennen gelernt, oder?«
    »Ja, in New Haven, im Theater. Er hat seine Frau geliebt – das war ziemlich offensichtlich.« Sam saß hinter dem Steuer seines VW -Busses und betrachtete das Haus. Es passte zu Lily. Die Farbe, die weißen Ornamente, die architektonischen Details, der Efeu, der sich bis zum Schornstein emporrankte, die Rabatten mit den orangefarbenen und gelben Taglilien. Im Erdgeschoss war nun ein elegantes Einrichtungsgeschäft untergebracht.
    Dana musterte die vordere Eingangstür; schaudernd erinnerte sie sich an den Ausdruck in Quinns Augen neulich abends. Ihre Nichte war überzeugt gewesen, dass sich vor dem Tod der Eltern etwas Schreckliches ereignet hatte, und litt deswegen unter Albträumen.
    Während sie die Treppe vor dem Haus betrachtete, dachte sie an ihre Kindheit zurück. Lily und sie hatten den Laden von Miss Alice geliebt. Er hatte nach Lakritze und Ingwer gerochen, und in den Glasvitrinen lagen Schätze, die ihre kühnsten Träume überstiegen: Mondsteinohrringe, silberne Halsketten, emaillierte Pillendöschen, Nadelkissen aus Samt. Wenn sie eisern sparten, konnten sie sich bestimmte Dinge von ihrem Taschengeld kaufen. Die Erinnerung war so lebendig, dass Dana den Blick abwenden musste, weil sie meinte, die zehnjährige Lily könnte jeden Moment im Laufschritt den Bürgersteig entlangkommen.
    »Du bist zwar kein Detektiv, wie du sagtest, aber was wir hier machen, sieht ganz nach einer Spurensuche aus.«
    »Ich habe keine Ahnung, wonach wir suchen.«
    »Dann suchen wir eben nicht, sondern wandeln nur auf den Spuren der beiden und lassen uns überraschen.«
    »Ja, ich glaube, das ist besser; wenn wir etwas entdecken, das uns weiterhelfen könnte, werden wir wissen, dass es genau das ist, wonach wir gesucht haben.«
    »Das ist die richtige Einstellung! Du würdest eine gute Ozeanographin abgeben – tonnenweise Forschungsdaten durchforsten, auf der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen.«
    Dana hörte nur halbherzig zu. Sie wollte es hinter sich bringen. Sie hatte Marnie gefragt, ob die Mädchen an diesem Morgen auf ihrem Felsen Krebse fangen dürften, und sie hatte es ihnen erlaubt. Während sie aus dem Fenster sah, konnte sie nicht umhin, sich Lily abermals als kleines Mädchen vorzustellen.
    »Na dann«, sagte Dana nach ein paar Minuten.
    »Wollen wir?«
    Dana nickte. Sie stiegen aus, und sie ging die breite Treppe hinauf, zum ersten Mal seit ihrem zwölften Lebensjahr. Als sie die Ladentür öffnete, vermisste sie die Glocke, die früher zu klingeln pflegte, und statt des magischen Sammelsuriums von Miss Alice sah sie eine Fülle eleganter Sofas und niedriger Ebenholztische.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte eine junge Verkäuferin.
    »Ich brauche eine Auskunft über Grayson, Inc. – die Immobilienfirma, die früher im ersten Stock war.«
    »Oh, Sie meinen Mark.« Sie machte ein betrübtes Gesicht. »Wissen Sie nicht, was mit ihm passiert ist?«
    In dem Augenblick erschien eine Frau auf der Schwelle einer Tür im Inneren des Ladens. Schlank und mit silberblondem Haar, trug sie ein schwarzes Strickensemble und ein mehrreihiges Perlenkollier. »Guten Tag. Ich bin Patricia Wentworth. Sie sind Marks Schwägerin, richtig?«
    »Ja, Dana Underhill. Guten Tag.« Dana schüttelte ihr verblüfft die Hand. »Und das ist Sam Trevor.«
    »Ich kenne Sie von der Ausstellung – ich habe ein Bild von Ihnen für eine Kundin gekauft. Sie ist begeistert.«
    »Das freut mich.«
    Patricia stand reglos da, die Hände gefaltet. Dank der Klimaanlage war es im Laden kühl, und sie sah aus, als könne ihr die Sommerhitze nicht das Geringste anhaben. Kein einziges blondes Haar war in Unordnung geraten. Ihre Perlen besaßen den gleichen blassen Farbton wie ihr Teint. Dana wusste, dass, wenn sie eine Innendekorateurin für ihr Haus gebraucht hätte, der Auftrag an diese Frau gegangen wäre, allein schon wegen ihres persönlichen Geschmacks. Dennoch fragte sie sich, was sie hier tat, und wünschte sich gleichzeitig, sie hätte statt Kakishorts und einem alten grünen T-Shirt etwas Ansehnlicheres angezogen.
    »Womit kann ich Ihnen dienen?«, fragte Patricia.
    »Wir würden uns gerne die Räumlichkeiten ansehen, in denen Mark gearbeitet hat«, sagte Sam.
    »Sein

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