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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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erinnerten sie sich an sie, aus der Zeit, als sie auf die Welt gekommen war.
    Aber in diesem Punkt war sie vielleicht ein wenig unrealistisch. Sie musste noch viel üben, bevor sie die Strecke bis Martha’s Vineyard allein bewältigen konnte. Also zurück zu einem Vorhaben, das leichter zu verwirklichen war: Wenn sie sich beeilte, konnte sie ihr Tagebuch vergraben und rechtzeitig zu Hause sein, um ihren Lieblingsfilm anzuschauen, das Video, das ihre Eltern und deren heiß geliebte, älteste Tochter zeigte, in voller Aktion und in einer Privatvorstellung. Mit einem letzten Blick auf den Sund und das Geschenk, das sie zurückgelassen hatte, machte Quinn auf dem Absatz kehrt und rannte schnell nach Hause.

[home]
    14
    S am fuhr, während Dana aus dem Fenster starrte. Als sie unter der Eisenbahnbrücke hindurchkamen, das kleine Wachhäuschen passierten und Hubbard’s Point erreichten, spürte er, dass sie äußerst angespannt war. Sie fuhren die gewundene Cresthill Road hinauf, vorbei an den Cottages auf den von Bäumen bestandenen Grundstücken, und hielten an der Steinmauer am Fuß des Hügels, die ihr Anwesen umgab. Ein Stück die Straße hinunter erklang eine Sopranstimme, die Tonleitern übte. Dana sprang aus dem Bus.
    Als Sam sie einholte, hatte sie die Tür des Schuppens bereits geöffnet. Der Raum wirkte leer, seit das Boot zu Wasser gelassen war, aber sie ging schnurstracks zur Rückwand, bückte sich und zog den winzigen goldenen Schlüssel aus ihrer Tasche.
    »Was machst du da?«, fragte er, als sie sich anschickte, ihn in das Vorhängeschloss zu stecken.
    »Ich will sehen, ob er passt.«
    Ihre Hände zitterten, so dass sie den Schlüssel nicht richtig ins Schloss brachte. Sam bekämpfte den Drang, die Aufgabe für sie zu übernehmen. Das braune Haar fiel ihr ins Gesicht. Sie redete ununterbrochen, um ihre Aufregung zu überspielen: »Ich bin davon ausgegangen, dass die Angelkiste Mark gehört, aber das war ein Trugschluss; es war Lilys, das weiß ich, seit der Schlüssel aufgetaucht ist. In dem Moment, als ich ihn sah, dachte ich: ›Bingo!‹«
    »Bingo?«
    »Mark wäre nicht im Traum eingefallen, eine Angelkiste abzusperren. Das war nicht seine Art. Wieso bin ich nicht gleich auf Lily gekommen? Natürlich gehört die Kiste ihr. Wer sonst wäre auf die Idee gekommen, ein hübsches Schloss dafür zu kaufen und sich die Mühe zu machen, den Schlüssel über dem Fenster zu verstecken? Noch dazu im Büro ihres Mannes!«
    »War sie eine Geheimniskrämerin?«
    Dana warf ihm einen strafenden Blick über die Schulter zu – als hätte er soeben eine Gotteslästerung begangen. Trotz der Missbilligung, die sie aus jeder Pore verströmte, sah sie fantastisch und sexy aus. Als sie auf dem feuchten Boden des Schuppens kauerte und mit dem Schloss hantierte, strahlten ihre Augen ein wildes Feuer aus. Sam hätte sie am liebsten hochgezogen und in die Arme geschlossen, so wie in Marks Büro.
    »Ja, sie hatte Geheimnisse«, sagte Dana kämpferisch, »aber auf positive Weise.«
    »Wie das?«
    »Es war für sie ein Spiel. Wie eine Schnitzeljagd oder Schatzsuche, so etwas in der Art. Dein Bruder würde das verstehen. Herrgott im Himmel, ich kann diesen verflixten Schlüssel nicht umdrehen.«
    »Mein Bruder?«
    »Hast du mir nicht erzählt, dass er auf der Suche nach versunkenen Schiffen die Weltmeere befährt? Das wäre ein Mann nach Lilys Geschmack. Er würde sie verstehen, da bin ich mir sicher.«
    »Und du glaubst, ich nicht?« Sam runzelte die Stirn.
    »Doch, schon.« Dana blickte hoch, rüttelte an dem Vorhängeschloss. »Ich schätze, ich wollte deinen Bruder einbeziehen. Wir beide sind hier, tun etwas für Lily, und dein Bruder Joe ist als Einziger außen vor …«
    Sam ging in die Hocke, tief bewegt von Danas Wunsch, Joe in ihren Kreis einzuschließen. Irgendetwas hatte sich zwischen ihnen verändert, vorhin in Marks Büro. Nachdem er sie auf die Worte an der Wand aufmerksam gemacht hatte, hatte es den Anschein, als würde sie langsam beginnen, ihm zu vertrauen. Für sie besaßen Familienbande den gleichen hohen Stellenwert wie für ihn auch. Er sehnte sich danach, sie in die Arme zu nehmen, aber sie war vollauf mit der Angelkiste beschäftigt. Er fühlte sich abgelenkt von den Formen ihres Körpers, die sich unter dem übergroßen T-Shirt abzeichneten, und von der ausgeprägten Linie ihrer Wangenknochen im geheimnisvollen Dämmerlicht.
    »Das war’s dann wohl, oder?« Danas Stimme klang niedergeschlagen, als sie

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