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Schillerhoehe

Schillerhoehe

Titel: Schillerhoehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Schaewen
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aber halbwegs versöhnlich. Auch Struve nahm sich vor, einzulenken. »Es sieht so aus, als ob wir eine harte Nuss zu knacken hätten«, meinte er und erzählte von dem Toten im Keller, von seinem Gespräch mit Dollinger und den anderen, die er als Zeugen notiert hatte.
      »Frau Scharf wusste noch nichts von dem Mord«, erklärte Melanie Förster. »Vielleicht ist es besser, wenn wir sie jetzt erst einmal in Ruhe lassen.«
      »Okay. Aber wir sollten mit ihr wenigstens kurz über ihre Eindrücke von der Mordnacht reden.«
      Erika Scharf gab beim darauf folgenden Gespräch an, bis 22.30 Uhr mit ihrem Mann bei der Lesung gewe­sen zu sein. Dann seien sie mit einigen Bekannten aus der Literaturbranche zur Hotelbar gegangen. Sie hätten noch bis etwa 1 Uhr zusammengesessen. Ihr Mann habe danach noch spazieren gehen wollen, um frische Luft zu schnappen. Die Witwe wirkte auf Struve angesichts des traurigen Umstands einigermaßen gefasst.
      Melanie Förster erinnerte sich, wie sie erst kürzlich eine Fabel der Autorin gelesen hatte. Der fast mär­ chenartig formulierte Text über eine Libelle, die sich einen anderen See als Lebensraum suchte, hatte ihr sehr gefallen, weil er den Wunsch nach einer besse­ ren Welt naiv verschlüsselt und deshalb unaufdring­ lich ausdrückte. Sie scheute sich aber, der Schriftstelle­ rin ein Kompliment zu machen. Stattdessen wollte sie kritisch bleiben und nach möglichen Motiven suchen. Das Verhältnis der beiden Eheleute wäre ein Anhalts­ punkt. Vielleicht ergab sich ja eine Spur. Eifersucht und Liebe waren schon immer starke Tatmotive. Bis jetzt konnte noch niemand bezeugen, dass Erika Scharf in der Nacht auf ihrem Hotelzimmer geblieben war.

    6

    Luca Santos wachte gegen 9 Uhr im Zimmer seiner Freundin in der Erdmannhäuser Schulstraße auf. Er wusch sich und holte beim Oberen Bäckershop Crois­ sants und Weckle. Eine zweite Tüte stellte er vor die Wohnung von Julias Eltern. Wie ihre Tochter mochten sie Rockmusik, und so hatten sie gestern noch ein Kon­ zert auf 7­Eichen, dem Szene­Biergarten auf dem nahen Lemberg, besucht. Bestimmt waren sie dankbar, heute Morgen nicht in einem derangierten Zustand angetrof­ fen zu werden. Als Luca zurückkam, stand Julia im Bademantel in der Küche und kochte Kaffee. Sie unter­ brach ihre Tätigkeit, als sie ihren Freund bemerkte. Wortlos küssten sie sich. Luca hätte gerne den Gürtel ihres Bademantels gelockert, aber Julia mochte keinen Sex am frühen Morgen. Langsam führte sie seine Hand vom Gürtel weg. So blieb Luca nichts anderes übrig, als die schöne Aussicht vom Balkon auf das Erdmann­ häuser Ortszentrum zu genießen.
      Als Julia ihm Kaffee eingoss, wollte sie wissen, was er heute vorhatte. Gestern war er erst spät ins Café Pro­ vinz gekommen. Wenn sie nicht noch Ralf getroffen hätte, wäre es bestimmt ein öder Abend geworden. So aber hatte sie sich blendend amüsiert. Sie wunderte sich, dass ihr Ralf nicht schon früher aufgefallen war. Er gab ihr mit seiner verbindlichen Art und seinen leuchten­ den blauen Augen das Gefühl, begehrenswert zu sein. Viel gelacht hatten sie an dem Abend. Und am Ende Adressen getauscht. Julia hatte ihm sogar versprochen, eines seiner Rockkonzerte zu besuchen. Das nächste wäre schon an diesem Abend in Höpfigheim. Das mit Luca zu erleben, wäre eine feine Sache. Aber wenn er schon wieder für die Zeitung irgendwo unterwegs wäre, würde sie auch ohne ihn hingehen. Nicht allein natür­ lich, aber mit einer Freundin könnte sie sich das durch­ aus vorstellen.
      Luca war noch zu müde, um ihr seine Tagesplanung zu präsentieren. »Du, ich brauche jetzt erst mal einen Mörderkaffee«, stöhnte er. »Die Scharf hat mich echt unter den Tisch gesoffen. Ich glaub, die hat sich nur mit mir zusammengehockt, um sich mal ordentlich Bott­ wartäler Roten hinter die Binde kippen zu können.«
      »Jetzt möchte ich aber, dass Sie mir keine Fragen mehr stellen, Herr Santos«, witzelte Julia mit tiefer Stimme. Luca hatte ihr gestern im Provinz eine Kurzfassung der Begegnung erzählt. In der Kneipe hatte es nicht so aus­ gesehen, als ob er sich aus dem Maulkorb der Schrift­ stellerin so viel machen würde. ›Etwas spröde, fast miss­ trauisch, insgesamt aber nicht unsympathisch.‹ So oder so ähnlich hatte er sich ausgedrückt.
      Luca nahm sich vor, die 80 Zeilen für die Montags­ ausgabe am frühen Nachmittag zu schreiben. Am Vor­ mittag wollte er sich noch auf der

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