Schillerhoehe
blätterte in einer Fachzeitschrift für Naturkunde.
»Hast dus?«, fragte sie und lächelte Melanie verliebt an.
»Na logo«, antwortete sie und zeigte stolz ihr aus gefülltes Rätsel.
»Also, das wäre ja das Letzte, was ich mir antäte, nach einer Woche, wie du sie hinter dir hast.« Katja konnte direkt sein, aber das störte Melanie wenig. Sie fühlte sich in der Gegenwart der 13 Jahre Älteren rundum wohl. Das halbe Jahr, in dem sie zusammen waren, war die beste Zeit seit Langem. Es war schwer für eine Lesbe, überhaupt jemanden zu finden, der einigermaßen zu einem passte. In einem Chatroom hatten sie sich ken nengelernt. Schon beim ersten Treffen funkte es dann. Nach einem Monat zogen sie zusammen, lebten in einer Art Landkommune bei Katja in Winzerhausen. Uwe und Charly, zwei Schwule, wohnten oben, die beiden Frauen unten. Eine Zeit lang waren sie das Ortsgespräch in dem verschlafenen Nest, aber es schien ihr, als ob die Nachbarn inzwischen zugänglicher waren. Vielleicht hatte es auch geholfen, dass sie öfter den Streifenwagen über Nacht vor ihrem Haus stehen ließ. Eine lesbische Polizistin machte sich eben viel besser als eine Lesbe, die möglicherweise gar keinen Job hatte. Sie wusste ja nicht, was sich im Kopf der Winzerhäuser abspielte, aber Fleiß galt im Schwabenland immer noch als der beste aller Charakterzüge. Der Erfolg gab ihr recht.
»Das mache ich nur, damit ich beim logischen Den ken nicht in ein Loch falle«, antwortete Melanie schlagfertig. Der vierwöchige Dienst im Führungsstab der Kripo in Stuttgart hatte ihr tatsächlich einiges abver langt. Jetzt war sie froh, die stressige, aber langweilige Koordinierungsarbeit ad acta legen zu können. Schon im Februar hatte sie die Prüfung an der Polizeihoch schule in VillingenSchwenningen mit einer glatten Eins abgelegt. Nun war sie gespannt auf ihre ersten Einsätze als Kommissarin in der Region. Als Springerin wusste sie noch nicht genau, wo sie eingesetzt werden sollte. Am Montag würde sie vielleicht mehr erfahren.
»Was machen wir heute noch Schönes?«, fragte Katja. Sie zeigte auf ein Bild in der Fachzeitschrift. »Schau mal, das ist der AnnaSee bei Beilstein. Die wollen den Schlamm rauslassen. Hast du Lust, dir den See mal mit mir anzusehen?«
»Tolle Idee. Es ist zwar ziemlich heiß, aber wir könn ten uns hinterher im Oberstenfelder Freibad ein biss chen abkühlen. Es soll dort neuerdings auch einen kna ckigen FKKBereich geben.«
Katja stimmte begeistert zu. »Na, dann sollten wir nicht mehr allzu viel Zeit verplempern. Fahren wir heim und dann weiter.«
Sie schlenderten zu ihren Motorrädern auf dem Mathil denparkplatz, als Melanies Handy klingelte. Es war Littmann, der sie nach Marbach abkommandierte.
»Shit, es wird nichts aus unserer Tour«, sagte sie nach dem Anruf zu Katja.
»Du musst für einen Fall los, stimmts?« Katja nahm sie in den Arm, um sie zu trösten.
Melanie aber war alles andere als traurig. »Ja, und dann gleich einen Mord, wow!«, freute sie sich. »Wir sehen uns bestimmt heute Abend!«, rief sie Katja zu, die einigermaßen fassungslos stehenblieb und nur noch ein leises »Pass auf dich auf« herauspresste.
Melanie drehte auf der Stuttgarter Straße voll auf, passierte bei Gelb diverse Ampeln und rauschte auf die Neckarbrücke zu. Sie hatte von Littmann lediglich frag mentarische Angaben zu dem Fall bekommen. Eigent lich wusste sie nur, dass der Mann der Schriftstellerin Erika Scharf tot in einem Keller des Deutschen Litera turarchivs lag und sie mit ihr darüber reden sollte. Die junge Kommissarin fuhr deshalb gleich ins Parkhotel Schillerhöhe. An der Rezeption stand die Schriftstel lerin und erwartete sie, nachdem Littmann sie ange kündigt hatte.
»Frau Förster?«
»Ja, sind Sie Frau Scharf?«, fragte Melanie und spürte, wie ihr Gegenüber sie von oben bis unten musterte. Sie hatte sich nicht mehr umziehen können. In der Leder kombi fühlte sie sich aber dennoch wohl, auch wenn sich Erika Scharf offenbar noch an den Anblick gewöh nen musste.
»Ja, ich bin es. Ich vermisse meinen Mann. Gibt es schon Ergebnisse?«
Melanie Förster begriff langsam: Littmann hatte sie nach Marbach geschickt, aber Erika Scharf wusste nicht, dass ihr Mann umgebracht worden war. Na, da steckte sie in einem schönen Schlamassel. Sie beschloss, ehrlich zu antworten.
»Es tut mir leid. Ihr Mann ist gestern
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