Schillerhoehe
Nacht im Kel ler des Deutschen Literaturarchivs ermordet worden. Man hat ihn heute Morgen gefunden.«
Erika Scharf starrte an ihr vorbei ins Leere. »Aber«, flüsterte sie mit dünner Stimme, »das kann doch nicht wahr sein.« Sie zog ein Taschentuch aus ihrer Handta sche. Die Tränen rollten ihr über beide Wangen.
Melanie Förster überlegte, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Mit ihren 26 Jahren hatte sie noch nicht viel Erfahrung beim Trösten von Witwen. Sie beschloss, vorerst bei Erika Scharf zu bleiben, damit sie mit ihrem Schmerz nicht allein sein musste. In der Zwischenzeit würde sich hoffentlich herausgestellt haben, mit wem sie den Fall bearbeiten sollte. Aber das bekam sie gleich zu hören, als Peter Struve sich näherte.
»Wer sind Sie?«, fragte er, als er Melanie Förster an der Rezeption mit Erika Scharf antraf.
»Das Gleiche könnte ich Sie fragen«, gab sie forsch zurück. Als Polizistin war sie es gewohnt, den Ton anzu geben – besonders, wenn ihr jemand dumm kam.
Peter Struve wusste nicht, was er von der jungen Dame in der Motorradkluft halten sollte.
»Also, um das Versteckspiel ein bisschen abzukür zen: Mein Name ist Peter Struve von der Mordkommis sion.« Er wusste, er wirkte unfreundlich, konnte sich aber schlecht dagegen wehren. Zu viel war an diesem Morgen bereits durcheinander gelaufen. Außerdem wirkte die junge Kollegin auf ihn nicht gerade sympathisch, aber das würde sich hoffentlich irgendwann mal legen.
»Melanie Förster, Kripo Stuttgart.« Sie gaben sich halbherzig die Hand. Die Polizistin war es auch, die als erstes den Gesprächsfaden wieder aufnahm: »Darf ich Sie mit Frau Scharf bekannt machen?«
Struve setzte ein Lächeln auf. »Aber gerne doch.« Er begrüßte die Schriftstellerin ebenfalls per Hand schlag. Er bemerkte ihr kreidebleiches Gesicht. Wahr scheinlich hatte sie die Nachricht vom Tod ihres Mannes schon erhalten und stand unter Schock. Vielleicht war es klüger, sie einen Moment auf die Vernehmung warten zu lassen.
»Sie entschuldigen uns kurz, Frau Scharf. Würden Sie bitte für einen Moment dort hinten am Fenster Platz nehmen? Wir sind gleich wieder bei Ihnen.« Struve wollte sich kurz mit der Kollegin über deren Ermitt lungsstand verständigen. Wenn er ehrlich war, wurmte es ihn gewaltig, dass offenbar eine Berufsanfängerin abgestellt worden war, um in seinem Fall herumzu stochern.
Er nahm sie zur Seite und brummte sie an: »Bevor wir weitermachen: Vielleicht können Sie mir verraten, warum Sie nicht zum Tatort gekommen sind, anstatt hier unkoordiniert loszulegen?«
Melanie Förster kannte die Allüren von Polizisten, die sich als Platzhirsche aufführten. Sie hatte in ihrer Ausbildung einige Reviere durchlaufen. Es gibt schon richtige Kamele, dachte sie, aber das ist ein Prachtex emplar. Erika Scharf hatte sich indes etwas entfernt und sich in eine Sitzecke begeben und blickte apathisch aus dem Fenster hinaus ins Neckartal.
»Jetzt hören Sie mir mal bitte zu«, befahl Mela nie Förster. »Ich habe erst mal nur die Anweisun gen des Morddezernats befolgt. Wenn Sie etwas aus zusetzen haben, wenden Sie sich an die Kollegen in Stuttgart.«
Peter Struve hatte sich schon gedacht, dass Littmann oder ein anderer von der Leitstelle hinter der Panne steckte. Aber er wollte jetzt nicht klein beigeben. »Viel leicht sollten wir es sachlich angehen«, schlug er vor. Das fand er zwar selbst etwas besserwisserisch, damit wollte er aber auch sich in die Pflicht nehmen. »Ich leite die Außenstelle in BietigheimBissingen und kümmere mich auch um Marbach und das Bottwartal.«
»Ah, der berühmte EinMannPosten in Bietig heim«, erwiderte Melanie Förster, die sich an einen Kollegen aus dem Landkreis Ludwigsburg erinnerte, mit dem sie an der Hochschule in VillingenSchwen ningen öfter mal ein Bierchen getrunken hatte. Jetzt fiel ihr auch ein, dass der Mitstudent damals von einem etwas kauzigen Kommissar gesprochen hatte, der aber durchaus in der Lage sein sollte, komplizierte Fälle zu lösen.
»Ich wusste gar nicht, dass Bietigheim so berühmt ist«, parierte Struve mit gespielter Verwunderung. »Womit haben wir das denn verdient?«
»Na, Sie wissen doch, es wird unter Kollegen viel geschwätzt. Ich habe gerade mein Studium und einige Monate Stabsdienst hinter mir. Sie haben es also mit einer blutigen Anfängerin zu tun.«
Das klang ironisch,
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