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Schillerhoehe

Schillerhoehe

Titel: Schillerhoehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Schaewen
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langweiliger. Sie hatten selten gemein­ same Themen. Paula Rieker liebte Frauenzeitschriften und glaubte jedes Wort. Sie lebte in einer Welt, die sie lieber mit den Freundinnen beim Kaffeekranz teilte als mit ihrem ständig gereizten und überarbeiteten Mann. Er dagegen pflegte in seiner Freizeit stundenlang zu jog­ gen. Wenn er gut gelaunt war, so wie an diesem Abend, unterhielt er seine kleinen Töchter mit Zauberkunststü­ cken. Auch für diesen Abend hatte er sich etwas einfallen lassen und kurzfristig eine alte Nummer aus seiner Schü­ lerzeit einstudiert. Die vierjährige Klara und die dreijäh­ rige Franziska schauten ihm fasziniert zu, als er mehrere Seile so miteinander verknotete, dass sie am Ende ausei­ nander fielen, wenn er leicht dagegen pustete.
      »Noch mal, Papi, noch mal«, rief Klara und schlug mit den Händen begeistert auf ihre kleinen Schenkel. Auch Franziska freute sich und hüpfte vergnügt durch den Raum.
      »Papa ist ein Zauberer«, flüsterte sie ihm ins Ohr, als sie auf seinen Stuhl stieg und ihn umarmte.
      Nachdem Rieker den Trick drei Mal wiederholt hatte, stand er auf: »So, genug jetzt, ab in die Federn, Kinder.«
      Er nahm Franziska auf den Arm, während sich Klara von der Mama ins obere Stockwerk tragen ließ. Bald darauf lagen die Kinder im Bett und schlummerten tief und fest.
      »Na, das ging ja überraschend glatt«, bemerkte das Familienoberhaupt.
      Paula blickte ihn distanziert an.
      »Ist was, Schatz?«, fragte er sie, nachdem er ihren kritischen Blick bemerkt hatte.
      »Mir fällt auf, dass du oft gar nicht richtig hier bist.«
      »Wie kommst du denn darauf – haben die Kinder und ich denn keinen Spaß gehabt?« Rieker begab sich zur Hausbar und genehmigte sich einen doppelten Scotch, den er eilig hinunterkippte.
      »Doch, doch, du bist perfekt.« Paula schaute miss­ billigend auf das leere Glas.
      »Aber?« Rieker goss sich einen zweiten Doppel­ decker ein, den er ebenso schnell trank. Eine wohlige Wärme breitete sich in ihm aus.
      »Na ja, du wirkst trotz allem oft so, als ob du nicht gerne zu Hause wärst.«
      »Hm, das kommt dir vielleicht nur so vor, weil ich manchmal auf dem Sprung zum nächsten Termin bin, oder?«
      Als ob er das demonstrieren wollte, schaute Rieker auf sein Handgelenk. Fast 19 Uhr, in einer Stunde begann der Kreisparteitag in Rielingshausen, er musste bald los.
      »Nein, das ist es nicht allein, Norbert.« Paula stellte sich ihm in den Weg. Sie wusste, es war der falsche Moment, es anzusprechen. Trotzdem konnte sie nicht länger schweigen. »Du wirkst auch sonst sehr, sehr abwesend.« Sie schaute ihn prüfend an.
      »Vielleicht hast du recht, mein Schatz«, antwor­ tete er ihr und genoss die Wirkung des Alkohols. Er musste sich jetzt zusammenreißen. »Die Arbeit geht nicht aus. Irgendwie glaube ich aber, wir könn­ ten uns doch mal wieder verändern. In Mannheim ist die Stelle eines Sportbürgermeisters frei gewor­ den. Ich überlege, ob ich mich darauf bewerben soll.« Natürlich wollte er sich nicht bewerben. In Marbach hatte er alles, was er brauchte: Platz für seine Fami­ lie, ein wenig Zeit für Gianna und eine einigermaßen sichere Stelle.
      »Mannheim? Ist das denn nicht zu städtisch für uns?« Paula kannte die Stadt, einige ihrer Freundin­ nen hatten dort studiert. Bei einem Besuch hatte sie die Atmosphäre dort kennengelernt, aber keinen besonders positiven Eindruck gewonnen.
      »Na ja, wir müssen da nicht hin, wir können ja über alles noch mal in Ruhe reden, Schatz.« Rieker zog die Jacke seines maßgeschneiderten Anzuges an, rückte vor einem Spiegel die Krawatte zurecht und kämmte sein Haar. »Muss jetzt los«, sagte er, »die FPU hält ihren Kreisparteitag.«
      »Hab das im Kurier gelesen. Sie wählen einen Bun­ destagskandidaten, was meinst du? Macht es wieder dieser Steinhorst?«
      Rieker grinste. »Mit Sicherheit nicht. Ich gehe davon aus, dass sie sich für einen Jüngeren entscheiden.«
      Paula schaute ihn irritiert an. »Du wirkst so scha­ denfroh. Hast du etwas gegen Steinhorst?«
      »Nee, ich glaube einfach, er ist in die Jahre gekom­ men und etwas behäbig geworden.«
      Sie umarmte ihn. »Pass auf dich auf!«
      »Ja. Ich denke an dich, bis heute Nacht.«
    Mit Mühe fand Rieker vor der Gemeindehalle in Rie­ lingshausen einen Parkplatz. Er trat ein, ging nach vorne aufs Podium, nicht ohne auf dem Weg dorthin möglichst viele Hände zu

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