Schillerhoehe
und den Verwaltungsgeschäften lassen. Mit seiner Familie eine Sennerei im Allgäu bewirtschaften und dabei die frische Bergluft genießen. Vielleicht würde er auch mit Gianna ganz neu anfangen. Ach, er fühlte sich müde und sollte eigentlich ins Bett kriechen. Er spürte aber auch, dass er mit jemandem reden musste.
Nachdem er über die Schillerhöhe gegangen war, sah er in der Bar des Hotels noch Licht brennen. Mögli cherweise bediente Gianna selbst, am Samstagabend vertrieb sie sich die Zeit oft damit, mit Gästen auf diese Weise ins Gespräch zu kommen. Oft schon hatte er sie dann unter dem Vorwand eines Abendspaziergangs besucht. Er betrat das Hotel und ging in die Bar. Als er niemanden dort sah, nahm er auf einem der leeren Hocker Platz. Er würde kleinen Drink nehmen, um ein wenig zu entspannen. Ihn irritierte, dass sich minu tenlang nichts tat. Jetzt will sogar an der Bar niemand mehr mit mir etwas zu tun haben, dachte er und musste schmunzeln. Endlich betrat sie den Raum. Ja, es war tatsächlich Gianna. Sie trug ein schwarzes, ärmello ses Kostüm, das ihre opulenten Rundungen vorteil haft betonte. Ihre intensiv rot bemalten Lippen traten feurig hervor, große Ohrringe, goldene Reifen, beton ten ihren schlanken Hals und flankierten ihre markan ten Haarsträhnen, die ihr weich auf die Schulter fielen. Diese Aufmachung hätte ein breiteres Publikum ver dient, sagte sich Rieker. Wenn er sich nicht so mies füh len würde, wäre es der perfekte Abend.
Sie erkannte ihn und lächelte ihn an.
»Du bist unverbesserlich, Norberto. Wir wollten uns doch eine Weile nicht sehen.«
Er genoss ihr Lächeln, das Balsam für seine aufge scheuchte Seele war.
»Wie könnte ich ohne dich sein, Gianna«, schmei chelte er und hielt ihr eine Rose entgegen, die er zuvor in der Parkanlage der Schillerhöhe abgeschnitten hatte.
Die Blumengabe verfehlte ihre Wirkung nicht. »Du bist ein Romantiker. Warte, ich hole eine kleine Vase.« Wenig später stand die rote Rose zwischen ihnen. »Was kann ich dir anbieten?«, fragte sie und legte eine CD mit ruhigen Songs von Katie Melua ein.
»Ich nehme einen Jack Daniels ohne alles, aber dop pelt.«
Sie schenkte ihm den Drink ein und genehmigte sich auch einen. »Hattest du einen schönen Tag?«
Er prostete ihr zu und leerte das Glas in einem Zug.
»Ich muss es nehmen wie es kommt. Habe auf rot gesetzt, aber es kam die Null.«
»Was möchtest du mir damit sagen, mein Lieber?«
Er lächelte gequält. »Was soll ich sagen: Ich glaube, ich habe eine Riesendummheit begangen und sollte meinen Beruf an den Nagel hängen.«
»Hast du berufliche Probleme?«
»Probleme wäre wohl das falsche Wort. Ich würde eher von Katastrophenmanagement sprechen.«
»Okay.« Sie streichelte sein Gesicht. Er legte seinen Kopf in ihre Hand. »Wie kann ich dir helfen, Nor berto?«
Plötzlich fiel ihm der Erpresser ein, der sie im Bett fotografiert hatte. Er zog die Aufnahmen aus seiner Jackentasche. »Wie erklärst du dir das?«
Überrascht betrachtete sie die Fotos: »Was ist denn das? Oh Gott, das sind ja wir.« Sie kicherte.
»Na, ich finde das gar nicht so lustig. Irgendein Typ versucht, mich damit zu erpressen.«
»Oh, entschuldige«, flüsterte sie mit hochrotem Kopf, offenbar immer noch fasziniert von der guten Qualität der Aufnahme, die deutliche Einblicke in ihre sexuel len Praktiken bot.
Ihre amüsierte Art machte ihn wütend. Er leerte has tig das zweite Glas Whiskey und setzte es hart auf den Tresen auf. »Sag mal, für wie bescheuert hältst du mich eigentlich? Da steckst doch du dahinter – oder spielt ihr mit jedem Gast Versteckte Kamera?«
Seine Worte wirkten auf sie wie ein Schlag ins Gesicht. »Du vergisst dich, Norberto. Wenn du so mit mir redest, können wir nicht zusammen sein.« Sie nahm die Rose, warf sie in den Mülleimer und schüttete das Wasser aus der kleinen Glasvase weg. Dann verließ sie den Raum. Norbert Rieker blieb allein zurück.
Melanie Förster hatte sich nach dem Streit mit Struve auf ihre Kawasaki geschwungen. Wütend raste sie aus Marbach hinaus über die Neckartalstraße dem Bott wartal entgegen. Sie kam mit dem Kollegen einfach nicht klar, er nahm sie offenbar nicht ernst. Dass sie jetzt mit 120 Sachen über die Landesstraße brauste, vorbei an Steinheim und Großbottwar, gab ihr ein Gefühl von Freiheit. Eine Viertelstunde später traf sie in
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