Schillerhoehe
geführt. Wie erklären Sie uns das?«
Selldorf kapierte, dass es um den Mord ging. »Ich habe mehrmals mit Frau Signorini telefoniert. Wir sind schon länger befreundet und lassen immer mal wieder voneinander hören.«
»Na, wenn Sie befreundet sind, dann müsste Frau Signorini Ihnen für Ihren Aufenthalt in Marbach doch ein Zimmer angeboten haben«, hielt ihm Struve vor.
»Ich habe mich relativ spät dafür entschieden, zur Lesung von Frau Scharf anzureisen. Es gab nur noch ein Zimmer im ArtHotel.«
»Wie gut befreundet sind Sie denn mit Frau Signo rini?«, fragte Struve.
»Wir kennen uns, wie gesagt, durch einige kurze Aufenthalte.«
»Was haben Sie am Telefon genau mit ihr bespro chen?«
»Nur, wie es so geht, was es Neues gibt. Ganz All gemeines nur.«
»Und was hat sie Ihnen geantwortet: Sicherlich auch nur ganz Allgemeines?«
»Ja, so wars. Alles kaum der Rede wert. Private Dinge.«
Struve und Förster blickten sich kurz an. Beide hatten keine Fragen mehr.
»Sie können jetzt gehen, Herr Selldorf«, sagte Struve. »Wir möchten Sie aber bitten, sich für weitere Befra gungen bereitzuhalten. Es kann sein, dass wir Sie noch brauchen.«
»Geht klar, aber seien Sie demnächst vorsichtiger, bevor Sie Unschuldige in die Zelle stecken«, beschwerte sich Selldorf. Ärgerlich warf er die Tür zu, als er den Raum verließ.
»Was halten Sie von ihm?«, fragte Peter Struve seine junge Kollegin.
»Schon merkwürdig, dass er ausgerechnet ein Tell Fragment geklaut haben soll.«
»Vielleicht versucht ihn da jemand, in den Mordfall reinzuziehen?«
»Es könnte sich um einen Trittbrettfahrer handeln, der Wind von der Sache bekommen hat.«
»Ja, klar, so ein Mord spricht sich in einer Kleinstadt schnell herum.«
»Trotzdem«, hielt Melanie Förster dagegen, »den Selldorf kennt in Marbach kaum jemand, dem wollte vielleicht jemand aus der Literaturszene einen üblen Streich spielen.«
»Das wiederum kann nur jemand sein, der Zutritt zum Archiv hat, oder aber zumindest ein Nutzer der HandschriftenBibliothek ist«, vermutete Struve.
Melanie Förster kratzte sich am Kopf. »Alles ziem lich spekulativ – immerhin haben wir den Mord an Dietmar Scharf eigentlich schon geklärt. Dieser Schäu fele wars, so zumindest sieht es aus, wenn wir die Ereig nisse gestern Revue passieren lassen. Aber seine Motive kennen wir noch nicht. Trauen Sie Selldorf zu, dass er das Ding mit Schäufele gedreht hat?«
Peter Struve nickte. »Hab ich mich auch schon gefragt. Aber ich komme immer wieder an den Punkt, an dem ich mich frage: Ein Doppelmord wegen einigen läppi schen Euro? Nee!«
Melanie Förster sah es genauso. »Bleiben wir ganz bei Schäufele, wir wissen, er hat eine DDRBiogra fie, er kam hierhin, und er ermordet mutmaßlich ein oder zwei Persönlichkeiten, die in der DDR unter eher bescheidenen Umständen gelebt haben. Menschen, die erst nach der Wende Kapital aus Erika Scharfs kritischer Schreiberei über die DDR gezogen haben – Schäufele hat dagegen Verwandte an der Grenze verloren. Reicht das für einen Doppelmord?«
»Auf den ersten Blick nein. Aber alles hängt davon ab, wie krank Schäufele wirklich war. Ich vermute jedoch, wir müssen noch viel mehr über ihn heraus kriegen – mich interessiert vor allem, was er mit Dol linger zu tun hatte. Wollen Sie sich um diese Hinter gründe kümmern, Frau Förster? Ich schlage vor, wir entscheiden dann gemeinsam, ob Sie dafür nach Berlin fahren müssen.« Er schmunzelte.
Melanie Förster streckte ihm die Zunge raus und ging zur Tür. »Bin bei Daggi Weller, vielleicht weiß sie schon etwas.«
Peter Struve beschloss, die endgültigen Berichte der Gerichtsmedizin abzuwarten. Er vereinbarte mit Mela nie Förster ein Telefonat am Abend über die Erkennt nisse zur Person Schäufeles. Nach dem Mittagessen in der Kantine fuhr er wieder nach Steinheim, um eine entspannte Atmosphäre zu genießen. Marie hatte ihm für den Abend sein Lieblingsessen, Kartoffelpuffer mit Apfelmus, versprochen. Die Zeit bis dahin verbrachte der Polizist mit einem Spaziergang durch Kleinbottwar rund um den Forsthof. Das Waldgebiet lag am Rande der Landesstraße 1115, wo viel Fernverkehr nördlich von Stuttgart unterwegs war. Aber natürlich suchte Struve die Stille, die er in den Weinbergen von Graf Adelmann fand. Von den Hängen in der Nähe von Burg Schaubeck genoss er
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