Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
Anna beruhigend eine Hand auf die Schulter. Sie nickte.
„Warum war der Pfarrer noch nicht hier, Anna. Hast du eine Erklärung dafür?“, fragte Jack.
Sie dachte einen Moment nach.
„Er ist kein Freund der Methoden der Inquisition. Ich denke, er stellt zunächst seine Nachforschungen an, bevor er eine offizielle Anklage erhebt. Es hat schon seit vielen Jahren keinen Hexenprozess mehr gegeben, aber der alte Glaube kursiert noch immer.“
Jack und ich atmeten hörbar aus.
„Bis jetzt sprach er nicht mit mir“, sagte Anna, die jetzt deutlich unsere Angst spürte. „Das ist ein gutes Zeichen“, fügte sie hinzu und lächelte schwach.
Die Inquisition, dachte ich. Ist die nicht längst vorbei? Jack begegnete meinem Blick.
„Meinem Wissen nach wurden im 18. Jahrhundert die letzten angeblichen Hexen verbrannt. Aber ich bin nicht sicher“, sagte ich.
Wir schienen also keine Zeit mehr zu haben. Jack setzte sich auf den zweiten Stuhl und begann Anna unseren Plan zu erklären. Sie nickte bedächtig und stimmte schließlich zu.
„Obwohl ich euch alle sehr vermissen werde, glaube ich auch, es wird das Beste sein“, sagte sie tapfer.
Ich lief nach oben, holte die anderen und erklärte ihnen die Sachlage. Karin erschrak furchtbar und ließ sofort nach Johannes schicken. Wir versammelten uns in unserem Zimmer. Jack war nicht begeistert.
„Wozu hast du Johannes rufen lassen?“
„Willst du dich denn nicht von ihm verabschieden?“, fragte Karin überrascht.
„Doch, aber nicht hier. Wie stellst du dir das vor, soll er zusehen, wie wir uns in Luft auflösen?“
Seine Augen funkelten, und ich brauchte einen Moment, um seine Beweggründe nachzuvollziehen. Sicher graute ihm vor dem Abschied, und er wollte Johannes auf keinen Fall schockieren. Doch so würde das nicht klappen.
„Wir müssen ihn einweihen“, sagte ich und griff nach Jacks Arm. Erstaunt sah er mich an.
„Warum so plötzlich?“
„Das sind wir ihm schuldig. Oder willst du diese Aufgabe allein Karin überlassen, wenn wir fort sind? Dann wird er darüber enttäuscht sein, dass er mit seinem Freund nicht darüber reden konnte und dass du ohne Abschied gegangen bist. Oder er glaubt ihr kein Wort, was sehr wahrscheinlich ist, und sie bekommt hier massive Schwierigkeiten. Außerdem sollte er sich der Verantwortung bewusst sein, die er für Anna und das Baby übernehmen soll. Erbtechnisch gesehen, meine ich.“
Er schnaubte, überwältigt von meinen Argumenten. Anette und Barbara stimmten mir zu, und ich bat Anna, dabei zu bleiben, damit sie Johannes ihre Sicht der unglaublichen Dinge vermitteln konnte. Sie war einverstanden. Als es plötzlich an der Tür klopfte, schreckten wir alle gemeinsam hoch.
„Was hast du ihm übermitteln lassen? Dass das Haus brennt?“, fragte Jack zynisch.
Ich legte ihm beruhigend die Hand auf den Rücken und ließ Matus Energie in ihn einströmen. Meine Hände wurden heiß, und Jack musste die Hitze ebenfalls spüren, denn er zog eine Augenbraue hoch. Wir saßen auf dem Bett. Karin bat Johannes hinein, der sich verblüfft umsah.
„Was ist passiert?“
„Wir müssen dringend mit dir sprechen, Johannes“, sagte Karin und dirigierte ihn zu einem Stuhl.
Sie selbst setzte sich auf den Boden, ebenso Barbara. Johannes sah sich nach männlicher Unterstützung suchend um, doch Jack saß einfach nur da, die Ellbogen auf den Knien und den Kopf in die Hände gestützt. Sein Haar verdeckte sein Gesicht. Karin begann zu sprechen.
„Du hast Jack einmal gefragt, was wir erlebt haben, bevor wir hier angekommen sind, und vermutest sicher, dass ein Geheimnis dahinter steckt, richtig?“
Er nickte. „Ich hege diesen Verdacht.“
„Dein Verdacht ist durchaus begründet“, sagte Karin und lächelte schwach. „Ich werde dir jetzt alles erzählen, aber versprich mir bitte, dass du bis zum Ende zuhörst und mir glaubst, dass wir nicht etwa völlig verrückt sind.“
Ihr Lächeln wurde unsicher, und Johannes nickte erneut. Man konnte ihm ansehen, wie unbehaglich ihm zumute war. Nun würde er es also erfahren, doch diese ernsthafte Versammlung deutete nicht auf etwas Harmloses hin, wie er sicherlich gehofft hatte. Mit den Händen auf den Schenkeln blickte er gespannt auf die am Boden sitzende Karin. Ab und zu nickte er oder sah auf, wenn ein anderer das Wort übernahm. Inmitten unserer Ausführungen starrte er Anna ungläubig an, doch sie beschränkte sich auf ein bestätigendes Lächeln. Er musste sich die Frage stellen, wie
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