Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
von ihnen. Ich erzählte ihm von den seltsamen Dingen, die Ihr ins Haus gebracht habt. Ein Ding, das Feuer spuckt, und dunkle Augengläser, die den bösen Blick verbergen können. Er sagte, er kenne Euch. Er wollte mich beschützen vor der Hexerei, und deshalb wollte er die Sachen stehlen.“
Scheinbar war ihrem Bruder der Kristall dann doch wertvoller erschienen, denn unsere anderen Sachen hatte er nicht mitgenommen. Lisa richtete den Blick auf ihren Schoß und schwieg. Jack und ich sahen uns an, und mir brach der Schweiß aus. Der böse Blick! Hexerei! Da war das Wort wieder.
„Aber das ist doch keine Hexerei“, rief ich unbeherrscht.
Jack bedeutete mir mit einer Handbewegung, alles Weitere ihm zu überlassen, und wandte sich an Lisa.
„Lisa, es war also dein Bruder? Wem hat er davon erzählt?“
Lisa sprach mit unvermutet fester Stimme.
„Dem Pfarrer. Habt Ihr meinen Bruder getötet?“ Mit spitzem Kinn sah sie ihm mutig ins Gesicht.
Ich sog Luft ein. Unsere schlimmsten Befürchtungen waren eingetroffen. Meine Hände zitterten, und ich hatte Schwierigkeiten zu atmen. Ich stand auf, konnte meine Emotionen nicht länger verbergen.
„Natürlich lebt dein Bruder noch! Aber was haben wir dir getan? Was? Warum willst du uns umbringen?“
Jack hielt mich an den Schultern fest, denn ich war im Begriff, Lisa vom Stuhl zu zerren und kräftig durchzuschütteln. Doch Lisa war noch nicht fertig.
„Ihr steht mit dem Teufel im Bunde. Friedrich Göttmann war Euer erstes Opfer. Ich will nur meine Herrin schützen“, sagte sie mit so viel Verachtung in der Stimme, dass ich ihren Hass fast körperlich spürte.
„Unser erstes Opfer? Kind, wer hat dir nur so einen gefährlichen Unsinn eingeredet?“, fragte ich resigniert, und Jack führte mich zum Bett, wo ich mich wie ein Häufchen Elend niederließ. Seine Stirn lag in tiefen Falten. Er schien fieberhaft zu überlegen. Er wandte sich wieder an Lisa.
„Wann hat er es dem Pfarrer erzählt? Bis jetzt war noch niemand deswegen hier.“
Er hatte etwas von einer lauernden Katze, und er hatte recht. Warum waren wir noch nicht verhaftet worden? Lisa starrte ihn mit angstgeweiteten Augen an.
„Ich weiß nicht, deshalb hat mein Bruder ja die Sache selbst in die Hand genommen, weil der Pfarrer sich nicht kümmert, und dann ...“, sie fing an zu heulen.
Erleichtert tauschten wir Blicke aus. Pfarrer Adolf hatte ihm wohl nicht geglaubt. Wahrscheinlich glaubte er doch nicht mehr an die Hexerei. Aber darauf konnte man sich nicht verlassen. Vielleicht schaltete er zunächst höhere Instanzen ein, bevor sie uns holen würden.
„Darf ich jetzt gehen?“, fragte Lisa leise.
„Du kannst gehen. Und zwar für immer“, sagte Jack.
Lisa erschrak, und ich ebenso. Wie konnte er das tun? Jetzt war ihre Familie erst recht gegen uns. Sie würde alles tun, um uns in Verruf zu bringen.
„Du hast das Vertrauen deiner Herrin missbraucht. Unter solchen Voraussetzungen ist es mir unmöglich, dich zu behalten“, sagte Jack mit Autorität.
Da hatte er auch wieder recht. Anna würde sie auf jeden Fall entlassen müssen. Immerhin hatte sie nachts Fremde ins Haus gelassen. Wir saßen in der Falle. Sie behalten war unmöglich, sie hinauswerfen konnte lebensgefährlich sein. Doch es war zu spät, Jack hatte bereits entschieden. Lisa brach in Tränen aus und lief schluchzend aus dem Zimmer. Ich öffnete den Mund, doch Jack hob die Hand.
„Ich weiß, ich weiß. Aber wir können sie nicht behalten. Wir haben nur eine Chance. So schnell wie möglich von hier zu verschwinden.“
„Okay. Lass uns alles vorbereiten und hoffen, dass so lange niemand erscheint, um uns zu holen.“
Tränen liefen mir über die Wangen, Jack nahm mich fest in die Arme.
„Das ist noch lange nicht das Ende, Engelchen.“
Es klopfte an der Tür. Jack wirkte wieder ruhig und gelassen. Kannte er denn gar keine Angst?
Es war Anna. Sie baute sich mit ernstem Gesicht vor ihm auf.
„Sag mir bitte, warum Lisa ihre Sachen packt.“
Nachdem wir ihr die Ereignisse der vergangenen Nacht geschildert hatten, erbleichte Anna, und Jack schob ihr schnell einen Stuhl unter. Schweigend schüttelte sie immer wieder den Kopf. Sie konnte es nicht fassen. Das Kind hatte sie bitter enttäuscht.
„Ich habe ihr ausdrücklich verboten, mit irgendjemandem über euch zu sprechen. Sie hat mir doch immer gehorcht ...“
Ratlos blickte sie mich an.
„Ich vermute, die Angst vor Teufeln und Dämonen war stärker“, sagte ich und legte
Weitere Kostenlose Bücher