Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
telefonierte, saßen wir an der Theke eines kleinen Cafés und erkundigten uns nach einer Zeitung, von der wir das aktuelle Datum ablesen konnten. Das Restaurant war schmuddelig und roch stark nach gebratenen Zwiebeln. Ich legte meinen Arm nicht auf die Theke, denn sie wurde wahrscheinlich nur noch von angetrockneten Speiseresten zusammengehalten. Nicht einmal 1790 war man so unsauber gewesen, dachte ich angeekelt. Der Mann hinter der Theke brachte endlich die ersehnte Tageszeitung, die Anette ihm hastig aus der Hand riss. Ich wartete gespannt auf ihre Verkündung, doch sie ließ sie sinken und fragte den Mann, ob die Zeitung wirklich aktuell sei.
„Nein. Die ist ungefähr drei Wochen alt, sie kommt immer sehr unregelmäßig“, erklärte er in schwerfälligem Englisch mit der Gelassenheit eines Mannes, den es nicht störte, mit seinem Wissensstand über das Weltgeschehen stets Wochen im Rückstand zu sein.
„Trotzdem enthält die Zeitung einen Hinweis“, sagte Anette leise an uns gewandt und wartete, bis der Mann den Thekenbereich verlassen hatte.
„Sie ist von der Vorwoche unserer Reise, also sind wir nicht in einer fernen Zukunft gelandet, das ist doch beruhigend, oder?“
Ich seufzte. Endlich eine gute Nachricht.
„Mal sehen, was Jack durch sein Telefonat herausfindet“, sagte ich und nippte an dem Kaffee, den der Mexikaner vor mich hingestellt hatte. Ich hatte einen Donut dazu bestellt, der ganz frisch gebacken schien und angenehm duftete.
Jack wollte uns von einem Kollegen mit einem Flugzeug abholen lassen, und mir war schon ganz schlecht bei dem Gedanken an einen erneuten Flug in einer kleinen Maschine. Anette unterbrach meine Schwarzmalerei.
„Stell dir das mal vor, wir waren fast in Sicherheit, und dann ist uns dieser Tempel begegnet.“ Sie schnaubte und trank ihren Kaffee.
„Du wolltest ja unbedingt hineingehen“, sagte Barbara angriffslustig.
Anette setzte eben zur Verteidigung an, als ich sie unterbrach.
„Hört auf damit. Bitte keine Schuldzuweisungen mehr, es musste alles so kommen, das wissen wir doch jetzt. Und denkt mal an die positiven Seiten, Karin hätte sich nie in Johannes verlieben können und ich mich nie in Jack. Und die kleine Isabel wäre gestorben. Und irgendjemand in der fernen Zukunft hätte mit dem Kristall etwas Schreckliches angerichtet.“
Sie konnten mir nur zustimmen. Hier wurde Schicksal gemacht, und wir hatten kein Recht, irgendjemandem die Schuld zu geben.
„Du würdest gar nicht existieren, wenn Jack der kleinen Isabel nicht auf die Welt geholfen hätte“, erinnerte Anette, und ich gab auf, darüber nachzudenken, denn es war mir viel zu kompliziert.
Jack kam grinsend zurück und setzte sich zu uns an die Theke.
„Alles klar. In zwei Stunden werden wir abgeholt“, sagte er und bestellte sich auf Spanisch einen Kaffee und drei Donuts.
„Nun sag schon, wie lange waren wir denn nun verschwunden? Sie haben hier nur eine alte Zeitung“, sagte ich ungeduldig.
Er genoss die allgemeine Aufmerksamkeit und grinste breit. Ich knuffte ihm gegen die Schulter, und er hob die Hand.
„Autsch, schon gut. Ben sagte, sie haben die Reste der Maschine gefunden, und zwar vor einer Woche.“
Der Kellner stellte ihm eine Tasse Kaffee und einen Teller mit dem bestellten Gebäck vor die Nase.
„Muchas gracias“, sagte Jack erfreut.
„Vor einer Woche?“, rief Anette ungläubig.
„Insgesamt waren wir zehn Tage vermisst“, sagte Jack kauend.
Ich versuchte das Ganze zu entwirren, doch es wollte mir nicht gelingen.
„Wieso eigentlich nur zehn Tage? Wir waren doch knapp zehn Monate fort.“
Er zuckte die Achseln, denn woher sollte er auch eine Begründung dafür haben.
„Jedenfalls werden wir nicht so viel zu erklären haben. Zehn Tage durch den Dschungel zu irren ist weit realistischer als zehn Monate“, sagte er.
„Was ist mit Karins Verwandten?“, fragte Barbara.
Jack wurde ernst, und man konnte ihm das Unbehagen ansehen.
„Die Polizei teilte ihnen mit, dass wir vermisst sind.“
„Dann werden sie jetzt wohl erfahren, dass alle noch leben, bis auf ihre Nichte“, sagte Barbara gedämpft.
Wir schwiegen betreten, und ich bestellte ein Päckchen Zigaretten bei dem Mexikaner. Jetzt war ein guter Moment, um wieder mit dem Rauchen anzufangen. Genüsslich sog ich den Rauch ein. Jack griff nach dem Päckchen und bot Anette auch eine an. Außer Barbara waren wir alle mit diesem Laster behaftet. Ich zahlte die Rechnung mit meiner Kreditkarte.
„Gut, dass
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