Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
ich den Rucksack gefunden habe“, sagte Jack und freute sich mächtig über diesen Umstand.
„Guter Junge, aber dass ich die Rechnungen bezahle, hört mir auf!“
„Und ich dachte, sie liebt mich um meiner Selbst willen“, sagte er.
Wir verließen den Mief des Cafés und warteten lieber auf der staubigen Straße auf die Maschine. Die Sonne brannte unerbittlich von einem strahlend blauen Himmel. Ich holte meine Sonnenbrille aus dem Rucksack. Als Jack mich erblickte, starrte er mich an.
„Ahhh, sie hat den bösen Blick ...“, rief er und wich erschrocken zurück.
Ich nahm die Brille ab, und wir drei blickten ihn ausdruckslos an.
„Sorry, war nicht witzig.“ Er räusperte sich und deutete in eine Richtung. „Mein Bekannter landet direkt da hinten, dort ist ein altes Flugfeld.“
Auf dem Flug wurde ich kräftig durchgerüttelt und fragte Jack, ob die Luftwege hier mit Schotter gepflastert seien. Er lächelte mitleidvoll und nahm mich in die Arme. Ich schloss die Augen, drückte mein Gesicht an seinen Hals und stellte mir vor, wir wären am sicheren Boden. Besser nicht wieder einschlafen, dachte ich erschöpft.
Die Landung gestaltete sich ähnlich unsanft wie der gesamte Flugverlauf. Jack runzelte die Stirn und starrte angestrengt auf den Hinterkopf des Piloten, als versuche er ihn telepathisch fernzusteuern. Froh, am Boden zu sein und überlebt zu haben, floh ich schnellstens aus der Maschine.
Wir nahmen den Bus nach Mexico City und begaben uns per Taxi zur nächsten Polizeistation. Gelangweilt nahm man dort zur Kenntnis, dass wir nicht mehr verschollen waren. Dem Dienst habenden Polizisten wäre es sicher lieber gewesen, wären wir vermisst geblieben, denn er tippte übellaunig den Bericht auf einer Schreibmaschine, die bereits zu Annas Zeiten eine Antiquität gewesen sein musste.
Danach fuhren wir gemeinsam im Taxi zur Deutschen Botschaft in Mexiko City, um Passersatzpapiere zu bekommen. Dort ließ man uns zwei Stunden warten bevor man uns weiterhalf. Am Flughafen kaufte ich mit Hilfe der Kreditkarte zwei Tickets nach Frankfurt/Main, und wir verabschiedeten uns stürmisch und tränenreich von Anette und Barbara. Für beide war es ein seltsames Gefühl, jetzt nach Frankfurt zu fliegen und dort nicht die gewohnte Kulisse der letzten zehn Monate vorzufinden. Barbara wollte als Erstes den Römerberg aufsuchen und sich das Haus ansehen, in dem wir die letzten zehn Monate verbracht hatten. Sicher würde sie dann sehr weinen müssen, und Anette versprach, sie zur Unterstützung zu begleiten. So vieles lag hinter uns, hatten wir gemeinsam überstanden, und nun ging jeder einfach nach Hause, als sei alles nur ein extrem langer Sonntagsausflug gewesen.
Ich versprach, mich sofort bei ihnen zu melden, sobald ich wüsste, wo ich in Zukunft leben würde.
Vorerst wollte ich mich nicht von Jack trennen und fuhr mit ihm in die Stadt zu seinem Appartement. Bisher hatten wir es vermieden, detailliert über eine gemeinsame Zukunft zu sprechen, und ich fürchtete mich ein bisschen davor. Nun war alles wieder viel realer, und ich wusste nicht, ob wir unsere beiden bisherigen Leben problemlos zusammenfügen konnten.
Die Tür seiner Wohnung war nicht verschlossen, und Jack erklärte, das sei nicht nötig, denn er besäße nichts, was sich zu stehlen lohne. Ich konnte das nur bestätigen.
Das kleine Appartement verfügte nur über ein schmales Bett, einen Schrank und eine Kochnische mit einem kleinen Tisch und zwei Stühlen. In Annas Haus hatte er komfortabler gelebt. Es roch streng nach Essen, die Nachbarn kochten wohl Abendessen. Von den gelblich gestrichenen Wänden blätterte die Farbe ab. Jack lächelte entschuldigend.
„Klein, aber mein.“
Ich ließ mich auf das Bett fallen und sah ihm beim Kaffeekochen zu.
„Sieh mal“, sagte er mit gespielter Überraschung. „Eine richtige Kaffeemaschine!“ Er lachte und schüttelte den Kopf. „Hätte nie gedacht, dass ich mich einmal über das alte Ding freuen würde.“
Jetzt waren wir also wieder in der Welt, die aus elektrischen Kaffeemaschinen, Toastern und einer regelmäßigen Müllabfuhr bestand. Doch zusammen hatten wir bisher nur in einer ganz anderen Welt gelebt. Erneut kam der Zweifel in mir hoch, liebten wir uns wirklich genug? Oder war es nur die extreme Situation, die uns für ein paar Monate von unserer Welt abgeschirmt hatte? Monatelang lebten wir auf nicht mehr als fünfzehn Quadratmetern. Es war, als seien wir ein eingespieltes Team. Es lief meist
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